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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 1.1885

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Rosenberg, Marc: Jamnitzer und Petzolt
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https://doi.org/10.11588/diglit.3679#0066

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Jamnitzer und Petzolt.

Kcäsers im königlichen Schlosse zu Berlin auf
dem großen Buffet des Rittersaales ^besinden.
Dieselben haben auf den verschiedensten Aus-
stellungen das höchste Jnteresse erregt und sind
wiederholt abgebildet wvrden. (Am zugänglich-
sten in: Historische Ausstellung zu Frankfurt a.
Main. 100 Taseln in Lichtdruck. Franksurt,
Keller. Tafel 46 und 47.)
Der eine dieser Becher baut sich cylindrisch
mit reichen Horizontalprosilirungen zu einem
Stücke ausi wie man deren mehrere auf den sog.
„Jamnitzerstichen" des VirgilSolis sieht. Es sind
durchaus Renaissance-Formcn, uichts mehr vom
guten alten gebnckelten Becher oder, wie man da-
mals gesagt haben würde, vom „knoraten Koph";
das ist der Jamnitzerbecher. Der andere, der
Petzvltbecher, ist in seinerGrundgestalt einBuckel-
becher, etwa wie der, den die babylonische Dirne
bei Dürer (L 73) in der Hand hält. Durch eine
Reihe kleiner beweglicher Guirlanden und Vo-
lnten im Renaissancegeist, gemischt mit seinem
gotischen Blattwerk, ist er in den zwischen den
Buckeln liegenden Teilen verziert: dadurch wird
seine Form, die schon in der Silhouette des
Körpers weich ist, geradezu fließend und sticht
sehr vorteilhaft von dem etwas harten Jam-
nitzerpokal ab. Es ist hier eine Mischung von
Gotik und Ncnaissance, wie sie glücklicher kaum
gedacht werden kann. Eine Mischung zu un-
gleichen Teilen, in welcher der Gotik der Löwen-
anteil zufällt, da sic die Grundform hergiebt.
Der ältere Jamnitzer, zünftig 1534, ist
ganz ein Mann der Renaissance, während der
jüngere Petzolt, zünstig 1578, also fast ein halbes
Jahrhundert später in die Arbeit eintretend, noch
in der Gotik steckt. Von Jamnitzer sind keine
gotisirenden Arbeiten bekannt, dagegen weiß Pe-
tzolt auch die Formen der Renaissancc in einer
mehr selbständigen Weise, als es an dem be-
sprochenen Becher geschehen ist, zu verwenden
und versteht namentlich iu den plastischen Teilen
seiner Arbeiteu die ganze Kunst des Wachsbos-
sirers der Renaissance (selbst modellirend?) zur
Geltung zu bringen.
Durch ihre Werke sind beide Meister un-
schwer auseinander zu halten: nach den in der
Litteratur vorliegenden Notizen ist das erheblich
schwieriger. Kuhn hat den Jrrtümern zuerst
Thür und Thor geöffnet, iudem er in seineiu
Kataloge der Münchener Ausstellung an dem
eineu dieser beiden Stücke die Marke falsch sah
und das Richtige traf, an dem andcren eben-

falls falsch sah und auch falsch deutete, so daß
er schließlich auch den Petzoltbecher sllr einen
Jamnitzer ausgab. Jch würde auf cinen Jrr-
tum in einem Ausstellungs-Kataloge, der ja
meist in Eile zusammengestellt werden niuß, nicht
zurückgekommen sein, wenn unserem Petzolt nicht
neuerdings wieder Gefahr drohte. Luthmcr
schreibt nämlich den schönen Pokal im Besitz des
Freiherrn v. Rothschild, „Der Schatz des Frei-
herrn Carl v. Rothschild" II. Taf. 23 (vergl.
unsere Fig. 1), deni Wenzel Jamnitzer zu. Wir
hingegen nehmen ihn fllr Petzolt in Anspruch,
da er aufs engste dem eben besprochenen Pe-
tzoltpokal verwandt ist, sowohl im Aufbau als
in den Details. Luthmer legt dem Reif mit
dem Triglyphenfries, welchen Bergau als cine
Eigentümlichkeit Janinitzers hingestellt hat, zu
große Bedeutung bei und nahm daraufhin
die Zuschreibung vor. Dieser Triglypheufries
kommt, wie ich an anderer Stelle nachge-
wiesen habe, auch bei Arbeiten vor, welchc
nicht aus Jamnitzers Werkstatt hervorgegangen
sind, und ist daher durchaus nicht dazu angethan,
die Autorschaft Petzolts bei einem Becher, der
durch und durch den Charakter seiner Arbeiten
trägt, in Frage zu stellen. Die Verwandtschnft
des Petzoltpokals im Besitz des Kaisers mit dem
des Baron Rothschild springt derart iu die
Augen, daß dic Herkunft aus ciner Werkstatt gar
nicht zweiselhaft sein kann.
Ein anderes Stück, welches zu den Werken
Petzolts gehört, ist ihm auf der Pester Aus-
stellung streitig gemacht worden: wie Luthmer
den Rothschildschen Becher, so hat Bucher dicscn
sür Jamnitzer in Anspruch genommen. Hampel
dagegen hat mit voller Sachkenntnis seinc
Stinime für Petzolt erhoben, ist aber überstimmt
worden. Es ist der herrliche Pokal im Besitz
der Gräfin Livia Zichy (abgeb.: Bucher, Gesch.
der technischen Künste II. 329), auf dessen Ver-
wandtschaft mit dem die Petzoltmarke zeigenden
Becher bei Graf Elz (Fig. 2) Hampel hinge-
wiesen hat. Jch bin in der Lage, ein drittes
Stück, mit dem ebengenannten fast identisch
dieselbe Marke tragend, nachweisen zu können:
es befindet sich in Wien bei Baron Nathaniel
von Rothschild. Es unterscheidet sich von dem
Pester Epemplar durch geringere Arbeit und
schlechtere Erhaltung, außerdem hat der Becher
der Gräfiu Zichy eine mehr langgezogene Cuppa
und einen Fuß, der eher an Jamnitzers Arbeiten
anklingt. Vielleicht ist es dicse Erwägnng, kanm
 
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