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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 1.1885

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Luthmer, Ferdinand: Bucheinbände der Renaissance
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https://doi.org/10.11588/diglit.3679#0087

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78

Bucheinbände dsr Nenaissance.

gcmgenheit. Wenn wir auch die ältere Art, den
von den Franzosen so genannten „Mvnchsband"
noch eine geraume Weile neben den neuen Formen
hergehn, sich diesen in gewisser Weise anbe-
guemen sehn, so lernen wir doch deu Einband
des 16. Jahrhunderts als etwas wescntlich
Neues, an bestimmte Namen Geknüpftes kennen,
für welches wir den Ursprung im Orient zu
suchen haben. Das vcrmittelnde Element zwischen
Morgen- und Abendland war hier wie sv oft
Venedig; der Gang der Übertragung läßt sich
an bestimmten Beispielen versolgen, wenn es
auch zweifelhaft bleibt, ob man abendländische
Bücher, Venezianer Drucke, von dvrt ans znni
Binden nach dem Orient sandte, oder ob, was
Wahrscheinlicher ist, morgenländische Handwerker,
Lederarbeiter und Bergolder, in Venedig etablirt
waren und daselbst ihre Kunst im Stil ihrer
Heimat ausübten. Ein Zweifel Uber den rein
orientalischen Stilcharakter des auf unserer Tafel
mitgeteilten herrlichen Einbandes aus der Biblio-
thek Firmin-Didot kann — abgesehen natürlich
von dem Mittelbild — gar uicht bestehn. Noch
deutlicher nachweisbar ist diese Beziehung zwischen
abendländischen Büchern und orientalischer Bin-
dung bei vier höchst interessanten Foliobänden
der herzogl. Bibliothek zu Gotha, welche Stock-
bauer in den „Mustereinbänden" auf Taf. 3,
18, 21 u. 37 mitteilt. Diese Bände, Venezi-
aner Drucke vom Ende des 15. Jahrhunderts,
Digesten verschiedenerPäpste enthaltend,warendas
Eigentum eines in Padua studirenden Deutschen.
Jhre Technik ist so abweichend von allem, was
man von europäischer Buchbinderkunst kennt,
dabei von so hohem Geschmack, daß eine kurze
Beschreibung lohnen dürfte. Der größere Teil
des Deckels, der aus Flächen verschiedenfarbigen
Leders zusammengesetzt ist, erhält seinen Schmuck
dadurch, daß vies Leder in äußerst feinen Mustern
ausgeschnitten und mit farbiger Seide hinter-
legt ist. Dazu sind die Hauptlinien der Zeich-
nnng durch eine auf den schmalen Lederstreifchen
mit beispielloser Delikatesse ausgeführte Hand-
vergoldung hervorgchoben. An den durchschnit-
tenen Stellen ist dabei das Leder bis zur denk-
barsten Dünne abgeraspelt, so daß die Dicke des
Schnittes nirgends zu sehn ist, ein Vorzug, der
besonders da sich bemerkbar macht, wo unge-
schickte Restaurationsversuche iu stärkerem Leder
daneben stehn. Die vollen Lederflächen sind
nußerdem mit kleinen Stempeln und Fileten,
(viclleicht auch Rollen) in diskreter Weise ver-

goldet; an einigen Stellen sind in Blindprcssung
mit schwachem Relief nachgeahmte altrömische
Kaisermünzen zur Verzierung eingesetzt, cin
Schmuck, der in den erstcn Reuaissance-Einbän-
den Jtaliens beliebt war und wohl am sicher-
sten für die Anfertigung der fraglichen Stllcke
im Abendlande spricht.
Jn ähnlichen, vonMauren oderGriechen ge-
haltenen Werkstätten müssen die BLcher gebunden
worden sein, welche aus dem Vcrlage des grvßen
Benezianer Hauses der Aldi hervorgingen, jene
berühmten „Aldinen", die, wo sie heute einmal
auf einer Versteigerung vorkommen, buchstäblich
mit Gold ausgewogen wcrden. Es entsprach
durchaus dem Gebrauche jeuer Zeit, die Littera-
tur gebuuden in den Handel zu bringen, nicht
in rohen Bogen oder broschirt wie heute.
Einer der Hauptabnehmer dieser köstlichen Ware,
zugleich persönlicher Freund der Aldi war nun
der Franzose Grolier, zu jener Zeit Schatz-
meister der Mailänder Herzöge. An den Namen
dieses berühmten Bibliophilen knüpft sich un-
löslich die Geschichte des Renaissance-Einban-
des. War er es doch, der diese italienisch-
orientalische Art des Einbandes nach Frankreich
verpflanzte, als er 1535 nach Paris zurück-
kehrte, um Schatzmeister Franz' I. zu werden.
An dem Hofe dieses für alles Jtalienische be-
geisterten FUrsten, und in Gemeinschaft mit
Gesinnungsgeuossen, wie dem berühmten Kupfer-
stecher und Drucker Geoffroy Tory und Etienne
de Laulne, schmückte Grolier die Bücherei des
königlichen Hauses mit den unvergleichlich
schvnen Bänden, die er anfangs aus Jtalien
bezog, später aber von französischen Künstlern
ausführen ließ, und vervollständigte daneben
seine eigene Bibliothek, deren äisjsota memdi-u
heute den Stolz aller Samuilungen bilden, die
das Glück haben, eins oder das andere dieser
mit der bekannten Devise: Orolisrii st umioorum
ausgestatteten BUcher zu besitzen.
Von der stilistischen Erscheinung dieser
„Grolier-Bände", wie man sie, den Besteller
an Stelle des Verfertigers setzend, jetzt allgemein
nennt, geben unsere Abbildungen 1 und 2 einen
annähernden Begriff; über das Technische seien
einige kurze Bemerkungen gestattet. Alle diese
Bände sind auf Heftschnüren (nsrks oder nsrvurss)
ausgeführt, die als „Bünde" am Rücken vor-
treten. Bei den ältesten Renaissancebänden sind
diese Bünde so zahlreich — 6 bis 7 bei Oktav-
bänden — daß für einen Rückentitel kein Raum
 
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