Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 1.1885

DOI Artikel:
Das japanische Dorf in London
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3679#0117

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Das japanische Dorf in Londoin

108

wcirtungen cntsprach, die man in Bcrtin gehegt
hatte; sic süllte die ihr gezvgenen Grenzlinien
nicht aus und cutsprach den Anfvrderungen nicht,
wclche man zn stellen berechtigt war, ja stellen
mußte, wenn man eine Fördcrung und Untcr-
stütznng seitens der Regiernng erbitten wollte.
Wesentlich hatte zu diesem negativen stiesultat
der Umstand beigetragcn, daß dic crhvffte mora-
lische Unterstützung des Untcrnehmcnö scitcns dcr
japanischen Negierung ausgcblieben war. Unter
solchen Umstcinden zvgen sich die bishcrigen
FLrderer des Unternehmens zurück, sv daß die
Ausstcllung kaum nach Deutschland kommen
dürfte, in kcinem Fall nnter dcr Autvrität und
Förderung irgend welcher Behördc vder nam-
hafter Männer.
Trotz alledem ist natürlich auch auf der
Londoner, mehr die Schaulust bcfriedigenden
Ausstellung mancherlei zu lerncn, und ich gestehe
gern ein, daß ich mit großem Jnteresse den
guten Leuten bei ihrer Arbeit zugesehen habe.
Sind es auch keine Künstler von Gvttes Gnaden,
so arbeiten sie dvch auf ihre cigentümliche, voü
der unseren oft recht crheblich abweichende Art
nnd Weise. Aus Beschreibungen sind nns ja viele
technische Prozesse bekannt; hier crhält man aber
doch erst die richtige Borstellung des Vcrfahrens.
Die Ausstellung ist in Form ciiics Dorfes
angelegt: vier sich kreuzende Gastcn sind beidcr-
seits Vvn niedrigcn Holzhäusern besetzt, welche,
durchweg aus nur einem Naum bcstchcnd, eincn
vvllständigen Einblick in das Leben und Treiben
ihrer Bewvhner gewähren. Die japanischen
Häuser sind nach der Straße zu iu ihrcr ganzen
Breite ofsen; nachts werden sie durch Läden ge-
schlossen. Auf dcm einige Stufen erhöhten mit
Matten belegten Fußbvdcn hocken die Arbeiter,
Werkzeug und Material licgt gleichfalls am
Boden vder ist, je nach Bedarf, anf nicdrigen
Tischchen placirt. Kleinere Feuerbehälter zum
Löten, Glühcn rc. stehen am Boden; das
Brennen von Email, Schmelzen rc. kann natür-
lich nicht in der Ausstcllung vvrgenommen
wcrdcn, sondcrn geschieht in cincm Nebcn-
raume; von keramischer Produktion wird nur
das Porzellanmalen vorgeführt, die Gefäße sind
fertiggebrannt vorhanden; ob dic Malereien spä-
ter eingebrannt werden, kvnnte ich nicht erfahren.
Vvn den einzclncn Handwerken interessiren
den Europäcr in erster Linie die Herstcllung der
Lackarbeiten uud der Metallwaren. Es ist hier
weder der Ort noch liegt die Notwcndigkcit vor,

aus dicse uud die andcrcn Tcchnikcn genaucr
cinzugehen; auch war cs uiimöglich, selbst bei
längercn Besuch, sich über jede Einzclheit zu in-
formireu. Die Leute arbeiten sehr langsam, weil
überaus sorgfältig; stellen scrncr nicht ein Stück
sertig, sondern nehmcn die gleiche Prozedur —
alsv z. B. das Verschmieren der Fugen bci zu
lackirenden Brettern, vdcr das Ausschneidcn ein-
zulegender Metallstücke, — bei eincr ganzen Neihe
Vvn Stücken Vvr, um dann später wiederum
zusammen dnran vder damit weiter zu arbciten.
Man müßte Tage ja Wochcn lang studircn, nm
sich über alle Einzelheitcn klar zn werden. Nur
einiges besvnders Ausfallendc mag dahcr hier
hervorgehoben werden.
Die meisten Handwerkcr arbeiten nicht nur
mit den Händen, sondern auch mit den —
Füßen. Der Tischler faßt das Brett mit den
außerordentlich beweglichcn Zehcn und stenimt
es gegen einen Klotz: cr spart also das Ein-
spannen in dcn Schraubstock; übrigens behobelt
er das Brett, indem er den Hobel an sich
heranzieht, nicht abstößt wie wir Euro-
Päer. Die Werkzeuge sind zum großen Teil
englisches Fabrikat: die Schnitzmesser der Elfen-
beinarbeiter, die Scheren, Hobel und ähnliches
wcichen dagegen von dcn europäischen ab. Gänz-
lich verschieden sind die Pinscl der Maler:
äußerst seine Haarbüschel, die in dünnen Bam-
bushülsen stecken. Überhaupt ist die Technik der
Maler eine höchst eigentümliche. Ein ca. 1 m
langer nnd 0,50 m breiter Nahmen, in welchcn
ein Stück dllnne Seide eingespannt ist, liegt
horizontal am Boden. Der am Boden hockende
Malcr beugt sich über den Rahmen derart, daß
sein Auge sich stets genan scnkrccht über dcr
Zeichnung befindet. Dicser Umstand, der es dcm
Künstler gestattet, sein Werk iinmer nur vvn
demsclben Standpunktc zu bctrachten, hat vhne
Zweifel hemmend auf die Entwickelung der
japanischcn Malerei, speziell auf die Kcuntnis
der Perspektive, eingewirkt. Gemalt wird mit
Tusche und Wasscrfarbcn, Wicderhvlungcn wer-
dcn gepaust, die Arbeit geht bei aller Sorgfalt
der Aussührung ziemlich schnell von stattcn. —-
Jnteressant ist die Arbcit dcr Sonnenschirm- und
Fächermacher, sowcit sie sich des feingespaltenen
Bambus dazu bedienen. Dagegen unterschcidet
sich das Vcrfahren der ^ylvgraphen, Jntarsia-
toren und Elfenbeinarbeiter kaum wesentlich von
den nnsrigen. Die Stickercien werden hier von
Männern hergestellt: die Zeichnung wird anf
 
Annotationen