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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 1.1885

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Berlepsch-Valendàs, Hans E. von: Das Wettinger Chorgestühl
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https://doi.org/10.11588/diglit.3679#0158

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Das Wettinger Chorgestühl.

Die Figuren in den Bogenseldcrn sind Vvn sehr
verschiedenem Werte und rühren offenbar auch
von verschiedenen Händen her. Auch hier offen-
bart sich des oder der Künstler eminente Be-
gabung in ornamentalen Dingen, denn die ein-
zelnen Krummstäbe, Kronen, ja svgar Marter-
werkzeuge sind vortrefflich.
Bon ungemeiner Wirkung ist das auf Kon-
solen ruhende, 73ein weit vorspringende Haupt-
gesims. Eine Lußerst sparsam, aber am rechten
Platze angebrachte Vergoldung einzelner kleiner
Glieder hebt die Wirkung des Ganzen, das im
Ton sehr tief ist, außerordentlich. Jm 18. Jahr-
hundert sind über dcm Hauptgesimse schwülstige
große durchbrochene Holzornamente angebracht
worden, die, als zum Ganzen nicht gehörig, auf
der Abbildung weggclassen sind. Stark bewegte
Figuren, noch dazu weiß angestrichen, stehen
außerdem oben. Ob früher eine Attika oder
ein anderer Abschluß des Gestühls existirte, ist
schwer zu entscheidcn: jedeufalls hatte cin Künst-
ler von dem Geschmack, wie er sich am Wettin-
ger Chorgesttthl manifestirt, auch das Bedürf-
nis, llber dem Hauptgesimse cinen entsprechenden
Abschluß anzubringen.
Wer der oder die Verfertiger des Gestühls
gewesen sind, ist nicht bekannt, denn es finden sich
weder Rechnungeu noch sonst Anhaltspunkte fttr
die Aufsindung der Künstler vor. Vielleicht sind
die betr. Urkunden bei der Säkularisirung des
Klosters, bei der man nicht gerade init ausge-

Prägtem Ordnungseifer vorgegangen zu sein
schcint, verloren gegangeu.
Sicher waren der oder die Verfertiger des
Werkes treffliche und geschulte Künstler. Das
Werk, in dem eine ganze Welt übersprudelnden
Geistes uud Formeusinnes niedergelegt ist, es ist
in bezug auf den Namen der Meister stumm
— kein Monogramm bczeichnet seinc Herkunft.
Ein simples Datum ist da: 1603^).
Am Ende war der Meister ein wandcrn-
der Küustlcr, wie wir sie ja häufig treffen, viel-
leicht einer, dcr sich seineBildung jenseits derBerge
geholt hatte und in helvetische Lande verschlagen
wurde, wo auch sonst vortreffliche Künstler saßen.
Jch brauche nur an eincu 9!amen wie Christoph
Maurer, den Glasmaler, zu erinnern, der mit
seine schönsten Schöpfungen gerade für Wettin-
gen malte, allwo sie z. T. noch erhalten sind.
Vielleicht bringt ein Zufall Len Namen des
Meisters zu Tage. Jst's ein bekannter Name,
daun wird die Perlenschnur seiner Schöpfungen
um ein schönes Glied reicher, — ist's ein un-
bekannter, Lann haben wir einen Meister ersten
Ranges mehr aufzuweisen.
Pslicht der betr. Behörde aber wäre cs, für
eine bessere Konserviruug dieses Schatzes zu sorgeu,
der in dem Zustande belassen, in dem er sich jetzt
befindet, dem sicheren Verfall entgegen geht.
1) Von 1594—1633 war Peter II. Schmidt von
Baar, Kt. Zug, Abt des Klosters. Unter sein Re-
gime fällt also die Herstellung des Chorgestühls.


Ug. S. Misericordie vom Wettmgcr Chorgestithl.
 
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