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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 10.1899

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Einiges vom Stilisieren
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https://doi.org/10.11588/diglit.4879#0023
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EINIGES VOM STILISIEREN

15

Ornament aussprechen. So ver-
schmäht er z. B. die Mischung
von Naturform und Schnörkel,
das Nahbeieinander von Wirklich-
keitsbild und Stilisierung, wie es
dem Rokoko so leicht nach dem
Herzensgeschmack war. Der Grad
des Realismus im Flachmuster ist
nach den einzelnen Nationen sehr
verschieden. Am zurückhaltend-
sten traten naturgemäss die Eng-
länder auf, welche die Bewegung
einleiteten. Morris, Huhne, Day,
alle gleichen sie sich darin, dass
sie Blatt und Blüte fast stets ge-
rade von vorn, oder in der reinen
Profilstellung zeigen, nur aus-
nahmsweise sieht man umgebogene
Blattspitzen. Die Beziehung auf
die Körperlichkeit soll dadurch
vermieden, der Gedanke an die
dritte Dimension ausgeschlossen
werden. Dabei kann man aber
Blüten sich gegenseitig decken
sehen. Bei einem Tapetenmuster
von Morris kommen Rosenzweige
vor, die sich zwischen den Stäben
eines Gitters hin und zurück win-
den, und auf den streng in der
Vorderansicht gezeichneten Blüten
sind hin und wieder Rosenkäfer
zu bemerken. Das ist augenschein-
lich eine Inkonsequenz, aber darum
noch kein Fehler. Wo zwei Dinge
übereinander Platz finden, ohne
die Flächenwirkung zu stören, kann
augenscheinlich auch eine Blüte
in den vielen Zwischenstufen zwi-
schen Vorderansicht und Profil
dargestellt werden. Ebenso ver-
hält es sich mit den Blattum-
schlagen, auch sie sind eine An-
deutung nach der Richtung räum-
licher Ausdehnung. Ohne Frage
kann man sich die eine Freiheit
nehmen und sich die andere ver-
sagen, aber es ist kein Zweifel,
dass in das Ornament eine ge-
wisse Strenge, um nicht zu sagen
Nüchternheit, dadurch kommt, und
dass bei der Beschränkung auf
diesen Grundsatz bald eine er-
müdende Einförmigkeit entsteht.
Diese Gefahr liegt um so näher,
als jede einzelne Form in strenger

,In hoc signo Vinces" von Charles van der
Stappen.

Regelmässigkeit gezeichnet wird,
jede individuelle Blattzacke der
natürlichen Blüte ordnet sich dem
angenommenen Schema ein, eine
unsichtbare, aber darum doch
gleich unerbittliche Linie schneidet
jedes Vordringen ab, unterdrückt
erbarmungslos alles, was Leben
heisst. Ein Morris kann noch in
so engen, selbstgezogenen Grenzen
Freiheit und Reiz bewahren, aber
was wurde in den Händen seiner
Nachahmer aus dem Pflanzen-
ornament!

Inzwischen hat sich in allen
Ländern Europas ein entgegen-
gesetztes Prinzip zur Geltung ge-
bracht. Statt Gesetzmässigkeit und
Abstraktion — Laune und Leben.
Japans fröhliches Vorbild zog
triumphierend ein. Der dekorative
Entwurf ist kein kaltes Rechen-
exempel mehr, sondern ein Ab-
bild warmen Lebens. Die natür-
liche Form, festgehalten in ihrer
Quintessenz, aber der kleinen Reize
der Zufälligkeit nicht entbehrend,
statt starrer Regelmässigkeit das
spielende Gleichgewicht der Mas-
sen und ein Kontur, der, wo er
sorglos zu tändeln scheint, doch
den grossen Elan der Naturwahr-
heit besitzt — das ist das Ornament
Japans. Freilich ist nur einem
sicheren Fuss auf schmalem Pfad
der Tanzschritt erlaubt, und es ge-
hört der Jahrhunderte alte Takt
des Volkes der aufgehenden Sonne
dazu, um ihn ohne Straucheln
zu wandeln. Werden die Schüler
aus dem Westen ebenso ungefähr-
det folgen?

Einstweilen sehen wir Eck-
mann getrosten Mutes diese Strasse
ziehen. Er spielt mit seinen Linien
so sicher selbstbewusst, wie der
Gauklermitschimmernden Kugeln.
Er ist nicht redselig, er vermeidet
die Phrase und er wirkte nie er-
folgreicher, als wo er am knapp-
sten im Ausdruck war. Mag sein,
dass er neuerdings nicht immer
gleich glücklich in seinen Einfällen
gewesen ist wie ehedem, aber er
hat bisher, was in seinem Werk
 
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