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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 10.1899

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Bötticher, Georg: Vorsatzpapiere
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https://doi.org/10.11588/diglit.4879#0029
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WAS ein Vorsatzpapier ist, dürfte jedermann,
der gebundene Bücher kauft oder auch
nur liest (was häufiger wie jenes vor-
kommen soll), bekannt sein. Nicht jeder aber weiss,
wie ein Vorsatzpapier beschaffen sein muss, wenn es
seinem Zwecke völlig entsprechen soll. Dies sich ein-
mal eingehend klar zu machen, möchte für den Leser
und Käufer, Autor und Verleger, ja selbst für den
Binder und Verzierer eines Buches nicht ganz über-
flüssig sein. Beweis dafür: wie viel verkehrte Vor-
satzpapier-Muster werden entworfen, gedruckt, verkauft
und gekauft! Was doch nicht vorkommen würde,
wenn alle über die Funktionen eines Vorsatzpapiers
im klaren wären.

Die ersten Vorsatzpapiere mögen in der Mitte des
17. Jahrhunderts aufgekommen sein, schwerlich früher.
Sie wurden von dem Buchbinder selbst hergestellt
und waren zunächst wohl einfarbige mit der Hand,
dem „Kamm" oder der Bürste und anderen derartigen
Werkzeugen erzielte, höchst primitive Formengebilde,
die jetzt der Sammler unter dem Namen „wolkige
Papiere" zusammenfasst. Mit der Zunahme des Model-
druckes für Zeuge und papierene Tapeten kamen die
bedruckten Vorsatzpapiere auf, die sich bald von der
Einfarbigkeit losmachten und auf immer reichere
Wirkungen ausgingen, denen besonders das Gold nicht
mehr fehlen durfte. Nebenher blieben noch immer,
besonders für einfache Bücher, die „wolkigen" Muster
im Schwange, die nun auch mehrfarbig hergestellt wur-

Kunstgewerbeblatt. N. F. X. H. 2.

den, und hinzu traten die sogenannten „marmorierten"
Papiere, die in der Nachahmung aller Arten von
Marmor und Granit excellierten, aber auch ganz phan-
tastische Gebilde zeigten, die keiner der bekannten
Steinarten entlehnt waren.

Alle diese Vorsatzpapiere, wenigstens bis zu Ende
des 18. Jahrhunderts, hatten das Gemeinsame, dass sie
aus kräftigem, eher dunkel- wie hellgetönten, glätten,
geglänzten Papiere bestanden. Dies ist natürlich kein
Zufall. Der Zweck des Vorsatzpapiers erheischte eben
eine solche Wahl. Das Vorsatzpapier sollte in ästhe-
tischer Hinsicht einen Übergang von der meist dunklen
Buchdecke zum Buchinnern vorstellen, in praktischer
Hinsicht sollte es die am meisten angefassten Stellen
des Buches schützen. Beides war nur durch eine
mitteldunkle Tönung zu erreichen. Die Glätte ver-
stärkte alsdann noch die Schutzfähigkeit des farbig
getönten Papiers.

Bis um den Anfang des 19. Jahrhunderts etwa
wurden diese vernünftigen Prinzipien in der Her-
stellung und Anwendung der Vorsatzpapiere festge-
halten. Dann trat mit dem „Empire" und der darauf-
folgenden Stilvermengung ein Lockern dieser Grund-
sätze und schliesslich eine höchst willkürliche und
abgeschmackte Behandlung der Vorsatzpapiere ein, die
erst ein Ende nahm, als in den sechziger Jahren eine
Wiederbelebung der alten Stilregeln auf allen Gebieten
des Kunstgewerbes erfolgte. Da man sich in Bezug
auf herzustellende Flachmuster die Gewebe der Gotik
 
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