Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 10.1899

DOI Artikel:
Hofmann, Albert: Das Kunstgewerbe auf der Berliner und auf der Münchener Kunstausstellung 1898, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4879#0049
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ji|HEVEiyCrt35£U <fV

Zierleiste, gezeichnet von Maler H. Meyer-Cassei, Slarnberg.

DAS KUNSTGEWERBE AUF DER BERLINER UND AUF
DER MÜNCHENER KUNSTAUSSTELLUNG 1898

DASS man von der im Titel dieses kurzen und
übersichtlichen Berichtes, welcher sich nicht
die Aufgabe gestellt hat, sämtliche Gegen-
stände der kunstgewerblichen Abteilungen der beiden
Ausstellungen zu besprechen, sondern welcher nur
Vereinzeltes nach eigener Wahl des Verfassers, was
diesem besonders erwähnenswert erschien, heraus-
greifen will — dass man von der im Titel enthaltenen
Thatsache sprechen kann, ist eine Errungenschaft erst
der letzten Jahre. Noch nicht fünf Jahre sind ver-
flossen, dass man seitens der Ausstellungskommissionen
den Begriff »Kunst" nicht weiter erstreckte, als Lein-
wand und Goldrahmen reichen. Seitdem aber hat
sich eine späte, doch, wie es scheinen will, andauernde
Umwandlung der Anschauungen vollzogen, denn sogar
die Münchener Secession im Ausstellungspalaste am
Königsplatz hatte sich veranlasst gesehen, wenn auch
in bescheidenem Masse ausgesuchten kunstgewerb-
lichen Gegenständen eine Stätte zur Aufnahme zu
bereiten.

Sowohl in München wie in Berlin waren die Ab-
teilungen für Kunstgewerbe im höchsten Grade be-
achtenswert; hier wie dort aber wiesen sie nur wenige
Stücke auf, welche man unter das einreihen konnte, was
man historisches Kunstgewerbe nennt. Hier wie dort
hatte die sogenannte neue Kunst in ihren so ver-
schiedenen Erscheinungsformen mit vollen Segeln
ihren Einzug gehalten, und hier wie dort wurde sie
ebenso lebhaft besprochen wie bekämpft oder be-
wundert. Das ist durchaus natürlich. Dieses Neue stützt

Kunstgewerbeblatt. N. F. X. H. 3.

sich nicht auf eine Reihe konventioneller, unangefochtener
Regeln und Vorbilder, sondern mit der ganzen Un-
befangenheit eben des Neuen sucht es bald in dieser
Richtung, bald auf jene Art seine Zweckbestimmung
zu erreichen. Das war auf der Berliner Ausstellung
in interessanter Weise zu beobachten. Hier standen
den hochinteressanten Möbeln und Metallarbeiten des
Architekten und Malers Hans Eduard von Berlepsch
in München z. B. die Arbeiten der „Vereinigten Werk-
stätten für Kunst im Handwerk« gegenüber. Nicht
ohne Absichtlichkeit führen wir Berlepsch in seiner
Eigenschaft als Architekt und Maler an. Wenn die
Arbeiten dieses vortrefflichen Künstlers, wie sie uns in
Berlin in den von/ Buyten & Söhnen in Düsseldorf aus-
geführten Möbeln oder in den von Allendörfer, Wil-
helm und Lind in München gefertigten Kupfergefässen
vorgeführt wurden, oder wie er sie in München in
dem so eigenartigen und schönen Innenraum zur
Darstellung brachte, mit einem Schlage die ungeteilte
Anerkennung fanden, die ihnen allenthalben zu teil
wurde, so ist das weder ein Augenblickserfolg von
nur flüchtiger Dauer, noch auch das Ergebnis einer
lauten Reklamemacherei, wie sie jetzt leider nur zu oft zu
beobachten ist, sondern es ist die Frucht eines jahre-
langen gewissenhaften Studiums, zu welchem sich die
strenge Zucht des architektonischen struktiven Gefühles
mit dem Phantasiereichtum des Malers vereinigte.
Mit beiden ausgerüstet trat der Künstler vor die Natur,
vor die Pflanze, beobachtete die Gesetze ihres Wachs-
tums und ihren struktiven Aufbau und Hess durch

7
 
Annotationen