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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 10.1899

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Kleine Mitteilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4879#0066
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KLEINE MITTEILUNGEN

Notenpult,

in Holz geschnitzt und polychromiert von Bildhauer
Philipp Andreas Eberts, Leipzig.

des Konfliktes eingetreten, dass der Protektor der beiden Insti-
tute, der kunstsinnige Erzherzog Rainer, welcher das Protek-
torat beinahe ein Menschenalter führte, sich schon im August
d. J. zu dem Aufsehen erregenden Schritte entschloss, beim
Kaiser die Enthebung von seiner Eigenschaft als Protektor des
Österreichischen Museums und des Kunstgewerbe-Vereins
nachzusuchen, als er von dereinen Seite in schwächlicher Weise
angerufen wurde, zu dem Konflikt Stellung zu nehmen, und als
er sich nicht entschliessen konnte, nach der einen oder nach der
anderen Seite Partei zu ergreifen. Diese Entschliessung hat
allenthalben grosses Aufsehen hervorgerufen, und um sie zu er-

läutern, sei eine kurze historischeDarstellungderEreignisseder
letzten Tage gestattet. Am 2g. Oktober d. J. hielt der Kunst-
gewerbe-Verein in Wien unter dem Vorsitz seines Präsidenten,
des kaiserlichen Rates Laurenz Gstettner, welcher seit kurzer
Zeit an die Spitze des Vereines getreten war, eine Versamm-
lung ab, in welcher die Beziehungen des Vereins zum Öster-
reichischen Museum zur Sprache kamen. Es wurde erwähnt,
dass sich das Präsidium des Vereins vor einiger Zeit an das
Kuratorium des Museums mit einer Anfrage über die übliche
Winterausstellung gewendet habe, welche der Verein wie
alljährlich so trotz des bestehenden Konfliktes auch dieses
Jahr gemeinschaftlich mit dem Museum in den Räumen des
letzteren abzuhalten gedachte. Die Anfrage blieb unbeant-
wortet, und der Empfang einer Abordnung des Vereins wurde
mit dem Hinweise abgelehnt, dass die vom Museum in Aus-
sicht genommene Winterausstellung mit einer beabsichtigten
Weihnachtsausstellung des Kunstgewerbe-Vereins nichts ge-
mein habe. Und als der Direktor des Österreichischen Mu-
seums, Hofrat von Scala, sich doch veranlasst sah, eine
Abordnung des Vereines zu empfangen, äusserte er, dass
ihm jeder einzelne Industrielle willkommen sei, dass jedoch
der Kunstgewerbe-Verein als solcher eine Berechtigung nicht
habe und dass es ein Fehler sei, dass der Verein im Museum
eine Stätte besitze. Auf diese Äusserung hin scheint der gegen-
seitige Meinungsaustausch ein so scharfer geworden zu sein,
dass bedauerlicherweise die Grenzen parlamentarischer Höf-
lichkeit nicht eingehalten wurden. Darauf beschloss der
Vereinsausschuss, dem Protektor Erzherzog Rainer über diese
Vorgänge Bericht zu erstatten. Das geschah, und die Ant-
wort war, dass die Eingabe des Vereins dem. Unterrichts-
ministerium zur ernsthaften Berücksichtigung abgetreten
worden sei. Nach dem Stande der Dinge hielt der Vorstand
das Gelingen der in Aussicht genommenen Weihnachtsaus-
stellung für fraglich. Das geschah auf der einen Seite. Auf
der anderen Seite war man weniger fatalistisch, sondern
thätiger. Am 30. Oktober d. J., also am Tage nach der
vorgenannten Sitzung, fand unter dem Vorsitze des Hofrates
von Scala im Österreichischen Museum eine Versammlung
der Aussteller der von diesem beabsichtigten „Winteraus-
stellung" statt, zu welcher 145 Anmeldungen (101 aus Wien)
vorlagen. Der Versammlung wohnten 68 Kunstgewerbe-
treibende, darunter Vertreter der ersten Firmen der öster-
reichischen Reichshälfte, an. Nach der Erledigung einiger
auf die Ausstellung bezüglicher Fragen wurde das Verhältnis
des Museums zum Kunstgewerbe-Verein besprochen und
festgestellt, dass es nötig sei, diesseits so scharf als möglich
vorzugehen, um der Regierung einen möglichst klaren Ein-
blick in die Sachlage zu geben, welche eine kleine Minorität
der Wiener Kunstgewerbetreibenden zum Schaden der
Entwicklung des Kunstgewerbes hervorgerufen habe. In
einer einstimmig angenommenen Resolution wurde Herrn
von Scala das volle Vertrauen ausgedrückt „für dessen mühe-
volles, aber auch hervorragend erfolgreiches Wirken im
Interesse des heimischen Kunstgewerbes", und man gab ihm
die Versicherung, dass man seiner Führung „wie bisher ver-
trauensvoll folgen werde". Daran schloss sich die Bitte,
„sich von dem eingeschlagenen Wege durch die wenig er-
bauliche Kampfweise seiner Gegner nicht abbringen zu
lassen". Mit so scharfen Waffen wurde beiderseits gekämpft,
und man kann es daher wohl verstehen, wenn sich der hohe
Protektor nicht entschliessen konnte, zum Streite der Parteien
herabzusteigen, sondern es schweren Herzens vorzog, sich
zurückzuziehen, wozu sich die Berechtigung um so mehr
ergab, als der Streit im letzten Grunde, wie schon erwähnt,
ein Prinzipienstreit ist, wie er durch die Bewegung im
 
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