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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 10.1899

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Schmidt, Karl Eugen: Ein französischer Kunsthandwerker: François Rupert Carabin
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https://doi.org/10.11588/diglit.4879#0082
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EIN FRANZÖSISCHER KUNSTHANDWERKER: FRAN^OIS RUPERT CARABIN

mit Holz und Metall, mit Feuer und Wasser hantiert
wird, da kann es nicht wie in dem Boudoir einer
Dame aussehen, und im Vertrauen gesagt: die Be-
wohner jener Ateliers, die mit allerlei orientalischen
Stoffen, mittelalterlichen Truhen und Sesseln, und
sonst allem möglichen Schnickschnack hergerichtet
sind, so dass sie ein Mittelding zwischen Antiquitäten-
laden und Boudoir bilden, sind häufigersich amüsierende
Dilettanten als arbeitende Künstler. In der Werkstätte,
die wir jetzt besuchen, sieht es anders aus, und man
merkt, dass hier rechtschaffen gearbeitet wird. Auf
dem Boden liegen Staub und Asche, Holzschnitzel
und Gipsstücke, Thonklumpen und Steingutscherben,
an den Wänden hängen Abgüsse, Plakate, Zeichnungen
und tausend andere Dinge, von dickem Staub patiniert
und von wirren Spinngeweben bedeckt. Und dann ist
der ganze Raum angefüllt mit Gipsmodellen, mit
Modellierstühlen, mit Holzklötzen, mit Töpfen und
Werkzeugen, so dass nur in der Mitte ein freier Platz
zum Arbeiten ist. In einer Ecke steht das von ihm
selber verfertigte Sopha, daneben ein Harmonium und
weiterhin ein mit Büchern, Zeitschriften, Photographien,
Krügen und sonstigen Kunstgegenständen bedeckter
Tisch. Ich rate aber dem Besucher nicht, irgend
einen Gegenstand in dieser Behausung anzugreifen
oder sich auf das berühmte Sopha zu setzen, ohne
vorher eine Zeitung untergelegt zu haben: Carabin
behauptet, der alle die verschiedenartigen und ver-
schiedenfarbigen Gegenstände überziehende Staub
schaffe erst die nötige Harmonie, welche man nicht
stören dürfe. Aber ich habe ihn im Verdacht, dass
er sich diese Theorie nur ersonnen hat, um den wirk-
lichen Grund der Staubpatina zu verhüllen; meiner
Ansicht nach ist Carabin's Werkstätte deshalb so von
Staub und Spinnweb heimgesucht, weil der Herr dieser
Räume zugleich der einzige Aufräumer und Rein-
macher ist, — in vielen Junggesellenwohnungen sähe
es nicht besser aus, wenn es keine dienstbaren Auf-
wartefrauen gäbe!

Inmitten dieses Raumes steht der Meister und
arbeitet an einem kleinen Wachsmodell, woraus später
ein Bücherschrank werden soll, und nun zeigt er uns
all die Herrlichkeiten, die da in den Ecken und Winkeln
herumstehen, und die er erst mit dem Ärmel seines
Arbeitskittels abwischt, ehe er sie unsern Händen an-
vertraut. Zunächst kommen die Tänzerinnen an die
Reihe, von denen soeben schon die Rede war, dann
die „bibelots": Tintenfässer, Vasen, Kartenbehälter,
Ringe u. s. w. Da sind Gegenstände aus Holz, Kupfer,
Bronze, Zinn, Elfenbein, Steingut, Leder, Gold und
was sich nur zu künstlerischen Zwecken verarbeiten
lässt, und bei all diesen Arbeiten sehen wir niemals
ein bekanntes Motiv, das uns die Kunstwerke von
Pompeji, von Florenz, von Nürnberg oder von Fon-
tainebleau oder aus Japan ins Gedächtnis zurückriefe.

Nichts ist vorhandenen Mustern nachgeahmt, sondern
überall wandelt der Künstler auf ureigenen Pfaden
seine Anregung stets unmittelbar aus der Natur
schöpfend. Was aber in all seinen Arbeiten wieder-
kehrt und uns zu einer lächelnden Bemerkung ver-
anlasst, das ist der weibliche Körper, und lachend
zeigt Carabin auf die runden Formen, die da in Gyps
verstaubt an den Wänden hängen und die Ecken des
Raumes füllen. Ich glaube, Carabin hat in seinem
Leben noch keinen männlichen Körper modelliert,
und er begründet dies etwas paradox damit, dass dem
Auge alles Runde gefalle, während eckige Formen
ihm zuwider seien, und liebkosend fährt er mit der
Hand über das nackte Figürchen, welches am, Boden
kauert und den als Tintenbehälter dienenden Riesen-
kürbiss in den Armen hält; ein anderes Tintenfass
zeigt eine sitzende Frauengestalt, welche einem Tinten-
fisch das Maul — den Tintenbehälter — öffnet; ein
Fingerring wird von einem goldenen Frauenfigürchen

Stuhl von Fran<;ois Rupert Cararin, Paris.
 
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