Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 10.1899

DOI Artikel:
Schmidt, Karl Eugen: Ein französischer Kunsthandwerker: François Rupert Carabin
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4879#0083
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
EIN FRANZÖSISCHER KUNSTHANDWERKER: FRANQOIS RUPERT CARABIN

75

Statuetten von Francxms Rupert Carabin, Paris.

gebildet, welches mit den ausgestreckten Händen
den Kopf einer stählernen Schlange anfasst, deren
Schwanz wiederum die Füsse des Mädchens um-
windet, so dass Frauenleib und Schlangenleib zu-
sammen den Kreis des Ringes bilden; bei einem
Spiegel aus Zinn stellt das Spiegelglas einen See vor,
an dessen Ufer nackte Mädchen im hohen Schilf ihr
fröhliches Wesen treiben; aus einer dunklen Ecke zieht
der Meister einen staubigen und knorrigen Holz-
klotz hervor, und nachdem das schwere Ding ge-
bührend abgewischt ist, entdecken wir bei genauerem
Hinschauen, dass die Knorren und Knollen zu kleinen
nackten Frauengestalten verarbeitet sind, die sich in
lustigem Gewimmel an dem Klotz herumdrängen; für
den Prachteinband eines Buches liegt eine dünne
Kupferplatte bereit, worauf die getriebene Gestalt eines

nackten Mädchens erscheint; dem schliessen sich
Rohrhalme, Epheuranken und andere Pflanzen-
ornamente aus Schmiedeeisen an, bei deren An-
blick wir erfahren, dass der Grossvater Carabins'
Kunstschmied war und eine Anzahl Eisengitter
für verschiedene Kirchen im Elsass gefertigt hat;
und dann folgen zahllose Töpferarbeiten, wobei
mitunter die Formen von Früchten, besonders
von Kürbis und Gurke, zum Vorbild gedient
haben, zumeist aber der Künstler ganz unab-
hängig seiner eigenen Idee gefolgt ist. Seine
letzte derartige Arbeit ist eine Statuette der Loie
Füller, der Erfinderin des Serpentinetanzes, wobei
durch die magische Beleuchtung des weiten
Gewandes die bekannten wunderbaren Farben-
effekte erzielt werden. Seit mehreren Jahren
werden Gefässe mit irisierendem Metallglanze
hergestellt; denn diese Töpferkunst, welche ganz
besonders von den Mauren in Spanien bei der
Herstellung ihrer bunten Ziegel — der soge-
nannten azulejos — und ihrer Prachtgeschirre
angewandt worden ist, hat in neuerer Zeit wieder
Liebhaber gefunden. Nichts konnte geeigneter
sein als dieses Verfahren, um die leuchtende
Farbenpracht der Serpentinetänzerin wiederzu-
geben, und um das Geheimnis kennen zu
lernen, arbeitete Carabin im vergangenen Winter
mehrere Monate in einer Fabrik zu Frejus in
Südfrankreich, wo er nicht nur die Herstellung
dieses Metallglanzes bald heraus hatte, sondern
auch ganz neue Feuerstrahlen, die in ihrem
brennenden Glänze den Farbengluten des Opals
gleichkommen, hervorzubringen verstand. Auf
der demnächstigen Ausstellung der Societe natio-
nale, die jetzt ihren populären Namen Salon du
Champ de Mars aufgeben muss, da sie zum
Umzüge gezwungen worden ist, wird diese Loie
Füller den Kunsttöpfern die Augen darüber
öffnen, was mit dem irisierenden Feuerglanze
eigentlich zu machen ist. Es ist eine Thorheit, Dinge,
die in der Natur einfarbig sind oder die doch nicht
metallisch glänzen — wie Landschaften, Pflanzen,
Tiere und Menschen — in einem solchen Materiale
herzustellen, wie es tagtäglich geschieht und wie es
in den Schaufenstern der Avenue de l'opera und des Rue
de Rivoli zu sehen ist. Und gerade das ist das Merk-
mal des wahren Künstlers, dass er die Materie ver-
steht und beherrscht, dass er weiss, was mit Marmor,
was mit Bronze, was mit Holz und was mit Eisen
zu machen ist.

In diesem Punkte sind die Arbeiten Carabin's
mustergültig, und um uns davon zu überzeugen,
brauchen wir nur an seine grossen Arbeiten zurück-
zudenken, die wir bei früheren Besuchen in seiner
Werkstätte oder auf Ausstellungen gesehen haben, —
 
Annotationen