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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 10.1899

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Schmidt, Karl Eugen: Ein französischer Kunsthandwerker: François Rupert Carabin
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https://doi.org/10.11588/diglit.4879#0084
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EIN FRANZÖSISCHER KUNSTHANDWERKER: FRANCOIS RUPERT CARABIN

leider bringt uns die diesjährige Ausstellung kein
grösseres Stück Hausrat von Carabin, und so müssen
wir uns auf unsere Erinnerungen beschränken. Und
da werden wir vor allen Dingen klar darüber, dass
Carabin's Tische, Stühle, Schränke u. s. w. keine Ge-
brauchsgegenstände, sondern Luxusmöbel sind. Der
Künstler ist zu sehr Bildhauer und er liebt die For-
men des weiblichen Körpers zu sehr, um sich mit
einfachen Formen ohne skulpturelle Ausschmückung
zu begnügen. Manchmal tritt der Schmuck so in den
Vordergrund, dass er zur Hauptsache wird, während
der ihm angehörende Tisch oder Stuhl nur als neben-
sächliches Attribut erscheint. Kurz, die Möbel Cara-
bin's sind für reiche Leute bestimmt, welche sich einen
solchen Schrank oder Tisch aufstellen, wie sie eine
Statuette oder ein Gemälde placieren, d. h. zum An-
schauen. Damit soll jedoch nicht gesagt sein, dass
Carabin's Möbel überhaupt nicht gebraucht werden
können. Aus allem, was ich weiter oben von ihm

erzählt habe, geht ja hervor, dass er ein ungemein
praktischer Mensch ist, und schon deshalb müssen
seine Werke auch die praktische Anwendung ver-
tragen können. Nur ist dieser Hausrat viel zu kost-
bar für das bürgerliche Haus, und nur Fürsten der
Finanz, des Handels und der Industrie können es sich
gestatten, auf solchen Stühlen zu sitzen und an solchen
Tischstempeln die Füsse zu reiben. Dem gewöhn-
lichen Menschen läge der Gedanke näher, um den
Stuhl herum ein Glashaus zu bauen, ähnlich wie die
sorgsame Hausfrau ihre Plüschmöbel in der guten
Stube mit schützenden Überzügen versieht.

Trotzdem aber hie und da der Bildhauer all-
zusehr in den Vordergrund tritt, bemüht sich doch
Carabin stets, seinen Figuren einen Zweck zu geben
und somit ihr Dasein zu begründen. Einmal tragen
vier Frauen als Stempel ein grosses Buch, welches
die Platte des Tisches darstellt. Ein Stuhl ruht auf
einem am Boden kauernden nackten Weibe, eine

Stuhl und Tisch von Francis Rupert Carabin, Paris,
 
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