DIE WINTERAUSSTELLUNG IM K. K. MUSEUM FÜR KUNST UND INDUSTRIE IN WIEN 105
den Reiz verleihen, der immer wächst, je länger man
sich in dem Räume aufhält, und läge nicht in der ein-
fach zweckmässigen Gestaltung eines kunstgewerblichen
Gegenstandes die geheimnisvolle Macht, das Schön-
heitsbedürfnis des Menschen dauernder und vollstän-
diger zu befriedigen, als es das raffinierteste Streben
nach grossen Effekten vermag. Das Mädchenzimmer
der Winterausstellung ist ein schlagender Beweis dafür,
wie nahe sich zweckmässig und schön,
wie nahe sich Logik und Ästhetik
stehen!
Das von Sigmund Jdray ausge-
stellte Wohnzimmer, das die Abb. S. 102
Vorteile und die künstlerischen Grenzen der Schnitz-
technik ausgeführt, die ihrem Verfertiger Franz Ze-
lezny — einem zu immer steigender Bedeutung vor-
schreitenden Wiener Künstler — die höchste Ehre
machen; die prachtvollen, von Karl Oswald in über-
raschender Naturwahrheit hergestellten kupfergetrie-
benen Lilien, die der Kaminplatte als ebenso origineller
wie vornehmer Schmuck angeheftet sind, gehören zu
den hervorragendsten Stücken der
Ausstellung.
Dieselbe technische Tüchtigkeit,
gepaart mit gleicher künstlerischer
Treffsicherheit wie das Järay'sche
zeigt, ist weit mehr als das Schönthaler-
sche Mädchenzimmer auf malerische
Wirkung berechnet, ohne dass diese
aber sich über Gebühr breit machte
und die Zweckmässigkeit beeinträch-
tigte; es ist ein Raum von selten an-
heimelnder Behaglichkeit, der hier ohne
Beihilfe von ermüdend wirkenden Dra-
perien und all den anderen Requisiten
des alten Dekorationsstiles wesentlich
mit grossen, klaren Linien geschaffen
ist, und dessen dekorative Wirkung
vornehmlich auf der glücklichen Zu-
sammenstimmung der Farben beruht:
der warme Ton des eigentümlich dunkel-
rotbraun gebeizten Birnholzes, das satte
Rostbraun der samtenen Wandbezüge
und Vorhänge vereinigen sich mit dem
milden Grün des von Oencrsich & Orendi
nach altem Muster hergestellten Tep-
pichs, dem Goldton des vor dem Ka-
min liegenden Felles und der wundervollen Farbe
der grossen mattgrünen Onyxplatte des Kamins zu
einem kräftigen, aber keineswegs aufdringlichen Ge-
samtaccord von edelstem Wohllaut. Vor allen Dingen
aber können die einzelnen Gegenstände dieses Zim-
mers als Beleg für die erfreuliche technische Tüchtig-
keit des Wiener Kunstgewerbes angeführt werden:
die Schnitzereien sind mit einer Präcision und da-
bei mit einem Schwung, einem Verständnis für die
Kunstgewerbeblatt. N. F. X. H. 6.
Wandarm (Blumenetagere),
ausgeführt von Carl Radetzky.
Wien.
Wohnzimmer, zeigt das vom Archi-
tekten R. Hammel entworfene Herren-
zimmer, das Augast Ungethüm aus-
gestellt hat: wirgaben auf S. 95, Heft 5 in
dem aus schwarzgebeiztem Eichenholz
verfertigten, mit vorzüglich gezeich-
neten und ebenso ausgeführten Kup-
ferbeschlägen versehenen Schranke das
Hauptmöbel des in mattem Grün und
Schwarz möblierten Raumes.
Die ebengenannten Räume bilden
neben einem von W. Müller originell
und gemütlich als Jagdzimmer einge-
richteten Mansardenraum, die hervor-
ragendsten Glanzpunkte der Reihe
von Zimmereinrichtungen, die, ohne
direkten Anschlttss an irgendwelche
alte Stilweise, lediglich nach moder-
nen Zweckmässigkeits- und Schön-
heitsprinzipien geschaffen sind. Von
den nach alten Vorbildern ausgeführ-
ten Interieurs unserer Ausstellung ist neben dem ge-
diegenen und wohnlichen Speisezimmer, das Carl Bam-
berger mit Kopien altenglischer Originale ausgestattet
hat (Abb. S. 106), der überraschend schöne, weissgoldene
Rokokosaal ganz besonders hervorzuheben, in welchen
die Firma F. O. Schmidt den höchst langweiligen alten
Sitzungsraum des österreichischen Museums umgestaltet
hat (Abb. S. 107). Dieser Saal ist, in reduziertem Mass-
stabe, eine bis ins kleinste Detail getreue Kopie des Fest-
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den Reiz verleihen, der immer wächst, je länger man
sich in dem Räume aufhält, und läge nicht in der ein-
fach zweckmässigen Gestaltung eines kunstgewerblichen
Gegenstandes die geheimnisvolle Macht, das Schön-
heitsbedürfnis des Menschen dauernder und vollstän-
diger zu befriedigen, als es das raffinierteste Streben
nach grossen Effekten vermag. Das Mädchenzimmer
der Winterausstellung ist ein schlagender Beweis dafür,
wie nahe sich zweckmässig und schön,
wie nahe sich Logik und Ästhetik
stehen!
Das von Sigmund Jdray ausge-
stellte Wohnzimmer, das die Abb. S. 102
Vorteile und die künstlerischen Grenzen der Schnitz-
technik ausgeführt, die ihrem Verfertiger Franz Ze-
lezny — einem zu immer steigender Bedeutung vor-
schreitenden Wiener Künstler — die höchste Ehre
machen; die prachtvollen, von Karl Oswald in über-
raschender Naturwahrheit hergestellten kupfergetrie-
benen Lilien, die der Kaminplatte als ebenso origineller
wie vornehmer Schmuck angeheftet sind, gehören zu
den hervorragendsten Stücken der
Ausstellung.
Dieselbe technische Tüchtigkeit,
gepaart mit gleicher künstlerischer
Treffsicherheit wie das Järay'sche
zeigt, ist weit mehr als das Schönthaler-
sche Mädchenzimmer auf malerische
Wirkung berechnet, ohne dass diese
aber sich über Gebühr breit machte
und die Zweckmässigkeit beeinträch-
tigte; es ist ein Raum von selten an-
heimelnder Behaglichkeit, der hier ohne
Beihilfe von ermüdend wirkenden Dra-
perien und all den anderen Requisiten
des alten Dekorationsstiles wesentlich
mit grossen, klaren Linien geschaffen
ist, und dessen dekorative Wirkung
vornehmlich auf der glücklichen Zu-
sammenstimmung der Farben beruht:
der warme Ton des eigentümlich dunkel-
rotbraun gebeizten Birnholzes, das satte
Rostbraun der samtenen Wandbezüge
und Vorhänge vereinigen sich mit dem
milden Grün des von Oencrsich & Orendi
nach altem Muster hergestellten Tep-
pichs, dem Goldton des vor dem Ka-
min liegenden Felles und der wundervollen Farbe
der grossen mattgrünen Onyxplatte des Kamins zu
einem kräftigen, aber keineswegs aufdringlichen Ge-
samtaccord von edelstem Wohllaut. Vor allen Dingen
aber können die einzelnen Gegenstände dieses Zim-
mers als Beleg für die erfreuliche technische Tüchtig-
keit des Wiener Kunstgewerbes angeführt werden:
die Schnitzereien sind mit einer Präcision und da-
bei mit einem Schwung, einem Verständnis für die
Kunstgewerbeblatt. N. F. X. H. 6.
Wandarm (Blumenetagere),
ausgeführt von Carl Radetzky.
Wien.
Wohnzimmer, zeigt das vom Archi-
tekten R. Hammel entworfene Herren-
zimmer, das Augast Ungethüm aus-
gestellt hat: wirgaben auf S. 95, Heft 5 in
dem aus schwarzgebeiztem Eichenholz
verfertigten, mit vorzüglich gezeich-
neten und ebenso ausgeführten Kup-
ferbeschlägen versehenen Schranke das
Hauptmöbel des in mattem Grün und
Schwarz möblierten Raumes.
Die ebengenannten Räume bilden
neben einem von W. Müller originell
und gemütlich als Jagdzimmer einge-
richteten Mansardenraum, die hervor-
ragendsten Glanzpunkte der Reihe
von Zimmereinrichtungen, die, ohne
direkten Anschlttss an irgendwelche
alte Stilweise, lediglich nach moder-
nen Zweckmässigkeits- und Schön-
heitsprinzipien geschaffen sind. Von
den nach alten Vorbildern ausgeführ-
ten Interieurs unserer Ausstellung ist neben dem ge-
diegenen und wohnlichen Speisezimmer, das Carl Bam-
berger mit Kopien altenglischer Originale ausgestattet
hat (Abb. S. 106), der überraschend schöne, weissgoldene
Rokokosaal ganz besonders hervorzuheben, in welchen
die Firma F. O. Schmidt den höchst langweiligen alten
Sitzungsraum des österreichischen Museums umgestaltet
hat (Abb. S. 107). Dieser Saal ist, in reduziertem Mass-
stabe, eine bis ins kleinste Detail getreue Kopie des Fest-
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