DIE WINTERAUSSTELLUNO IM K. K. MUSEUM FÜR KUNST UND INDUSTRIE IN WIEN 109
Wandschirm, in Ahornholz ausgeführt von Auo. Unqethüm, das Gemälde von Maler
Luppenschitech. Wien.
Erwägung geleitet, dass unsere Zeit, die in der streng
objektiven historischen Forschung so bedeutende Er-
folge aufzuweisen hat, alte Stile, wenn sie sie schon
kopiert, mit peinlicher historischer Treue, mit liebe-
vollem Eingehen ins Detail, vor allem aber unter
Wiedergabe des künstlerischen Gesamtcharakters der
betreffenden Epoche kopieren müsse und nicht ver-
meintliche Kopien schaffen dürfe, die, wie beispiels-
weise die angebliche „Gotik" der romantischen Zeit,
das vorgebliche »Rokoko" der sechziger Jahre, weder
Nachahmungen noch Neuschaffungen sind.
Der Rokokosaal der Winterausstellung hat manche
verbohrte Gegner der modernen Richtung zu dem
triumphierenden Hinweis veranlasst, dass, um einen
wahrhaft grossartigen, effektvollen Prunkraum zu
schaffen, die Innendekoration denn doch immer wieder
auf die alleinseligmachenden alten Stile zurückgreifen
müsse! Wer das gegen den modernen Stil ins Treffen
führt, dem kann man, glaube ich, berechtigt mit dem
Citate antworten: „Was ihn Euch widrig macht, macht
mir ihn wert!" Gerade in dem Um-
stände, dass der moderne Stil nicht, wie
alle historischen Stile, zuerst in der
Ausstattung von Prunkräumen, sondern
im Wohngemach, im Nutzraum auftritt,
liegt sein ganzer Wert, liegt die Richtig-
keit des Verhältnisses, in dem die Kunst
zum Zeitgeiste zu stehen hat, liegt die
Gewähr für seine gedeihliche Entwick-
lung: möge er immerhin vorerst den
unpersönlichen Paraderaum, der im heu-
tigen Kulturleben lange nicht mehr die
Rolle spielt, die er in verflossenen Jahr-
hunderten innegehabt, den alten Stilen
überlassen! Beschränkt auf das engere
Feld des Nutzraumes, der vor allem
das Praktische, das Individuelle erheischt,
wird er um so festere Wurzeln schlagen,
um so zeitgemässer sich entfalten!
Unter den zahllosen, nicht zu voll-
ständigen Interieurs zusammengestellten
Einzelobjekten, die die Winterausstellung
des österreichischen Museums vorführt,
kann hier nur auf das Beste des Guten
hingewiesen werden. Vorzügliche Möbel
in modernem Charakter oder in den ver-
ständnisvoll wiedergegebenen und tech-
nisch tadellos ausgeführten Formen der
alten Stile, namentlich des Louis XVI.-
und Empirestils, dann der Richtung Chip-
pendale's und Sheraton's, aber auch aus-
gezeichnete Möbel, die sich enge an die
deutsche, namentlich die Tiroler Gotik,
an die deutsche Renaissance u. s. f. an-
schliessen, und die namentlich hinsicht-
lich ihrer trefflichen Schnitzereien Beachtung ver-
dienen, haben die Firmen Klopfer, Michel, Nieder-
moser, Plail (Abb. in Heft 5), Portois & Fix, Wittmann
und manche andere, insbesondere die verschiedent-
lichen staatlichen Fachschulen des Landes ausgestellt.
Reizende kleinere Möbelstücke, vor allem eine Reihe
schöner Wandschirme (S. 104 vi. 109), dann prächtig aus-
gestattete Truhen und Kassetten (S. 103), — unter letz-
teren eine Serie kunstvoller Kopien nach altfranzösi-
schen messingbeschlagenen Elfenbeinkassetten von
Julius Linke — fallen durch besonders tüchtige Arbeit
auf. In der Glasindustrie, die ja in Österreich in
aller Vorzüglichkeit heimisch ist, leisten insbesondere
die Firma E. Bakalowits'Söhne (S. 110) und die v.Spaun-
sche Glashütte in Klostermühle (S. 98, Heft 5) ganz
Hervorragendes; die Arbeiten der letzteren Firma sind
im Genre Tiffany gehalten und erhalten durch reizvoll
bescheidene Montierungen in vergoldetem Silber ein
besonders vornehmes Gepräge. Vorzügliches wird
im Messingguss, in der Eisenschmiedekunst und der
Wandschirm, in Ahornholz ausgeführt von Auo. Unqethüm, das Gemälde von Maler
Luppenschitech. Wien.
Erwägung geleitet, dass unsere Zeit, die in der streng
objektiven historischen Forschung so bedeutende Er-
folge aufzuweisen hat, alte Stile, wenn sie sie schon
kopiert, mit peinlicher historischer Treue, mit liebe-
vollem Eingehen ins Detail, vor allem aber unter
Wiedergabe des künstlerischen Gesamtcharakters der
betreffenden Epoche kopieren müsse und nicht ver-
meintliche Kopien schaffen dürfe, die, wie beispiels-
weise die angebliche „Gotik" der romantischen Zeit,
das vorgebliche »Rokoko" der sechziger Jahre, weder
Nachahmungen noch Neuschaffungen sind.
Der Rokokosaal der Winterausstellung hat manche
verbohrte Gegner der modernen Richtung zu dem
triumphierenden Hinweis veranlasst, dass, um einen
wahrhaft grossartigen, effektvollen Prunkraum zu
schaffen, die Innendekoration denn doch immer wieder
auf die alleinseligmachenden alten Stile zurückgreifen
müsse! Wer das gegen den modernen Stil ins Treffen
führt, dem kann man, glaube ich, berechtigt mit dem
Citate antworten: „Was ihn Euch widrig macht, macht
mir ihn wert!" Gerade in dem Um-
stände, dass der moderne Stil nicht, wie
alle historischen Stile, zuerst in der
Ausstattung von Prunkräumen, sondern
im Wohngemach, im Nutzraum auftritt,
liegt sein ganzer Wert, liegt die Richtig-
keit des Verhältnisses, in dem die Kunst
zum Zeitgeiste zu stehen hat, liegt die
Gewähr für seine gedeihliche Entwick-
lung: möge er immerhin vorerst den
unpersönlichen Paraderaum, der im heu-
tigen Kulturleben lange nicht mehr die
Rolle spielt, die er in verflossenen Jahr-
hunderten innegehabt, den alten Stilen
überlassen! Beschränkt auf das engere
Feld des Nutzraumes, der vor allem
das Praktische, das Individuelle erheischt,
wird er um so festere Wurzeln schlagen,
um so zeitgemässer sich entfalten!
Unter den zahllosen, nicht zu voll-
ständigen Interieurs zusammengestellten
Einzelobjekten, die die Winterausstellung
des österreichischen Museums vorführt,
kann hier nur auf das Beste des Guten
hingewiesen werden. Vorzügliche Möbel
in modernem Charakter oder in den ver-
ständnisvoll wiedergegebenen und tech-
nisch tadellos ausgeführten Formen der
alten Stile, namentlich des Louis XVI.-
und Empirestils, dann der Richtung Chip-
pendale's und Sheraton's, aber auch aus-
gezeichnete Möbel, die sich enge an die
deutsche, namentlich die Tiroler Gotik,
an die deutsche Renaissance u. s. f. an-
schliessen, und die namentlich hinsicht-
lich ihrer trefflichen Schnitzereien Beachtung ver-
dienen, haben die Firmen Klopfer, Michel, Nieder-
moser, Plail (Abb. in Heft 5), Portois & Fix, Wittmann
und manche andere, insbesondere die verschiedent-
lichen staatlichen Fachschulen des Landes ausgestellt.
Reizende kleinere Möbelstücke, vor allem eine Reihe
schöner Wandschirme (S. 104 vi. 109), dann prächtig aus-
gestattete Truhen und Kassetten (S. 103), — unter letz-
teren eine Serie kunstvoller Kopien nach altfranzösi-
schen messingbeschlagenen Elfenbeinkassetten von
Julius Linke — fallen durch besonders tüchtige Arbeit
auf. In der Glasindustrie, die ja in Österreich in
aller Vorzüglichkeit heimisch ist, leisten insbesondere
die Firma E. Bakalowits'Söhne (S. 110) und die v.Spaun-
sche Glashütte in Klostermühle (S. 98, Heft 5) ganz
Hervorragendes; die Arbeiten der letzteren Firma sind
im Genre Tiffany gehalten und erhalten durch reizvoll
bescheidene Montierungen in vergoldetem Silber ein
besonders vornehmes Gepräge. Vorzügliches wird
im Messingguss, in der Eisenschmiedekunst und der