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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 10.1899

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Kleine Mitteilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4879#0167
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KLEINE MITTEILUNGEN

worden sei. England habe im Vergleich hierzu schwere
Unterlassungssünden begangen, und falls die englische In-
dustrie durch den deutschen Wettbewerb nicht vollständig
lahm gelegt werden wolle, so müsse diese Unterlassung so
schnell als möglich ausgeglichen werden. Der Bericht
schildert sodann die Schulen im einzelnen. So sei die
Webeschule in Aachen geradezu eine Musteranstalt, welche
nicht, wie die englischen, nur Unterricht in der Erzeugung
der alten, längst bekannten Gattungen gebe, sondern die
Schüler vor allem mit allen Neuheiten bekannt mache und
sie zum selbständigen Entwerfen neuer Muster anleite. Auch
der Krefelder Fachschule wird grosses Lob gespendet, noch
mehr aber der städtischen Webeschule in Berlin. Die Ein-
richtung und die Lehrweise unserer technischen Hochschulen
hat die Abordnung fast geblendet. Die Hochschule zu
Darmstadt bezeichnet der Bericht als die erste Schule Europas
zur Ausbildung von Elektrotechnikern; die Hochschule zu
Dresden habe die chemische Farbenindustrie Deutschlands
zur ersten der Welt gemacht, und die Hochschule zu Char-
lottenburg mit ihrer Sammlung von technischen Modellen
und elektrischen Apparaten habe nur in der Mac-Gill-
Universität zu Montreal ihresgleichen. Ebenso sei Nürnberg
durch das Zusammenwirken der bayrischen Regierung, der
Gemeindevertretung und der Privatindustrie zu einer Pflanz-
stätte des industriellen Fortschrittes geworden, und die
badische Anilinfabrik zu Ludwigshafen besitze ein grösseres
chemisches Laboratorium als manche Universität Englands.

-u-
Über Missbräuche bei Denkmal-Konkurrenzen hat sich
die „Bildhauer-Vereinigung des Vereins Berliner Künstler"
erst vor kurzem ausgesprochen. In der in München (E.
Pohl's Verlag) erscheinenden Fachzeitschrift „Der deutsche
Steinbildhauer" wird nunmehr unter Bezugnahme auf eine
zur Veröffentlichung eingesandte Bekanntmachung eines
Denkmal-Comites auf die bestehenden Missstände, wie folgt,
hingewiesen: „Ausschreibung. Der Bismarck-Denkstein-
Ausschuss in Eger ersucht hiermit junge Künstler um Ein-
sendung von Entwürfen für ein Bismarck-Denkmal in Eger,
dessen Herstellungskosten die Stimme von 5000 M. nicht
überschreiten darf. Das Denkmal soll in einer Parkanlage,
die in Mitte der Stadt liegt, zur Aufstellung kommen. Die
Entwürfe werden bis 1. Februar 189g unter der Adresse
Direktor Ed. Züchner, Eger, erbeten. Der Ausschuss."
Mit der Veröffentlichung dieser uns zugekommenen soge-
nannten „Ausschreibung" wollen wir ein drastisches Beispiel
feststellen zu dem leider noch immer nicht überwundenen
Kapitel des Konkurrenzen-Unwesens. Das ist also nach der
Ansicht des Ausschusses für das Bismarck-Denkmal in Eger
eine „Ausschreibung", und nun sollen die jungen deutschen
und deutsch-österreichischen Künstler, an welche wohl die
Aufforderung gerichtet sein wird, sich in Bewegung setzen
und eine Summe von geistiger Arbeit leisten, der gegenüber
selbst bei nur schwacher Beteiligung der Betrag von 5000 M.
als verhältnismässig geringfügig bezeichnet werden muss.
Unerlässliche und, wie man annehmen könnte, auch dem
Laien als selbstverständlich erscheinende, grundsätzliche Be-
stimmungen enthält diese Ausschreibung nicht. Es ist darin
nicht gesagt, in welcher Weise die Entwürfe ausgeführt sein
sollen, ob Zeichnungen oder Modelle verlangt werden, in
welcher Grösse diese zu halten sind, in welchem Material

die Ausführung gedacht ist bezw. ob dies dem Ermessen des
Künstlers anheimgestellt bleibt. Es mangelt jede Angabe
darüber, wer die Sachverständigen sein sollen, die über den
Wert der eingesandten Arbeiten zu urteilen haben werden
und denen die Entscheidung über den auszuführenden Ent-
wurf überlassen ist. Desgleichen ist von einer Entschädigung
für die aufgewendete Mühe und für die gehabten oft be-
trächtlichen und in vielen Fällen empfindlichen Barauslagen
in Form von Preisen für die nicht zur Ausführung kommen-
den guten Entwürfe keine Rede; kurz, es fehlt hier so ziem-
lich alles, was man billigerweise bei einer „Ausschreibung"
voraussetzen und verlangen kann. Originell wie der ganze
Erlass ist auch die Bestimmung des dreiwöchigen Termines.
Dass es unter so unsicheren Chancen und bei solcher sou-
veränen Missachtung geistiger Arbeitskraft, die mit den
Schöpfungen künstlerischer Thätigkeit verfahren will, als ob
es sich um mehr oder weniger schmackhafte Erzeugnisse der
Bäckerkunst handelte und die im schrillen Missklang steht
zu der beabsichtigten Ehrung eines Geistesheros, — dass es
unter solchen Umständen für die junge Künstlerschaft rat-
samer ist, dieser auf Kräftevergeudung beruhenden Konkurrenz
fernzubleiben, so lange der Ausschuss nicht eine reelle
Grundlage geschaffen hat, kann wohl als selbstverständlich
hingenommen werden. D. Red.

Zeichnung von Sofia Dietlein und Maler R. WiLLE-Berlin.

Herausgeber und für die Redaktion verantwortlich: Professor Karl Hoffacker, Architekt in Charlottenburg-Berlin.

Druck von August Pries in Leipzig.
 
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