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DER KUNSTMARKT
allzu typische Erscheinung. Das öffentliche Interesse, das
gerade für die Sammlung Lobmeyr so lärmend in Anspruch
genommen wird, ist an ein solches angebliches Mäzenaten-
tum auch materielle Forderungen zu stellen berechtigt.
Aus alledem ergibt sich der Charakter dieser Samm-
lung; es fehlt ihr der kulturelle Eigenwert anderer Samm-
lungen, die eine ideelle Mitarbeit des Besitzers verkörpern,
die sich für etwas eingesetzt haben und mit dem Ringen
und Siegen einer Kunstrichtung eng verknüpft sind. Sie
ist die Sammlung eines reichen Mannes, der sicher Ge-
schmack und künstlerischen Sinn besaß, aber beides voll
und ganz seiner Zeit und seiner sozialen Schichte gehörig
und ohne persönliche Prägung; er hat die Bilder gekauft,
die alle seines Kreises auch gerne besessen hätten; nie
hat dieser Kunstfreund geprobt und getastet, nie ein sich
erst durchringendes Talent gefördert, nie wider den Stachel
der offiziellsten Kunstanschauung gelockt. Gerade diese
Banalität gibt der Sammlung ihre interessante Einheitlich-
keit; sie stellt ein Idealbild der Siebziger- und Achtziger-
jahre dar, ein Idealbild nicht in dem Sinne, daß die in
dieses Paradies aufgenommenen Richtungen und Künstler
immer durch die besten Beispiele vertreten wären, aber
insofern als alles ausgeschlossen ist, was irgendwie in
künstlerischer Opposition stand und seine eigenen Wege
ging. Fehlt infolgedessen vieles, was uns zum künstlerisch
Wertvollsten jener Zeit zählt, ja für ihren Gesamteindruck
unentbehrlich dünkt, so darf ihr dies gewiß nicht zum Vor-
wurf gemacht werden; nicht was ihr fehlt, sondern was sie
besitzt, gibt einer Sammlung ihre Eigentümlichkeit, und auch
die Lobmeyrsche hat in der Selbstverständlichkeit, mit der
sie den Geschmack eines Wiener Bourgeois von 1880 wider-
spiegelt, ihren eigentlichen Wert.
Dieser Geschmack war ein guter und kultivierter, aber
er war kein sehr feiner und sicherer; er griff nach den
Werken bewährter Meister, deren Namen auf allen Aus-
stellungen glänzten, ohne auf ihre persönlichsten künstle-
rischen Qualitäten sonderlich zu achten; Gutes und Schwaches
dieser Künstler steht in auffallender Ungleichmäßigkeit
nebeneinander. Ausschlaggebend für die Wahl scheint zu-
meist eine gewisse Rundheit gewesen zu sein, ein an-
sprechender Inhalt in einer gefälligen Form; eine senti-
mentale Stimmung oder eine gut erzählte Pointe haben
manches Bild hierher gebracht, fast möchte man sagen, ob-
wohl es künstlerisch wertvoll war. Denn es wäre wohl
ein Irrtum, zu glauben, daß der Durchschnitt der Samm-
lung — die übrigens durch die ausnahmslos abscheulichen
Rahmen sehr leidet — wegen des Überwiegens der
Anekdotenmalerei einen so unerfreulicheu Eindruck macht;
der novellistische Inhalt ist uns heute kein Vorzug, aber
auch kein Nachteil; es gibt Bilder, deren hünstlerische
Qualität er nicht herabdrückt und andere, die auch heute
noch ihre Schwäche hinter den Mätzchen ihres Inhaltes
verschleiern. Für beide Arten enthält die Sammlung gute
Beispiele. Munkäcsys berühmte Schlager »Milton diktiert
das Verlorene Paradies« und »Mozarts Freunde führen vor
dem Todkranken sein Requiem auf« stehen uns inhaltlich
gleich ferne; aber bei der wundervollen Malerei des
ersteren, die das Schwarz des Dichtergewandes, das Wein-
rot des Teppichs, das Aschgrau und Graubraun in den
Kleidern der Töchter köstlich und lebenswarm blühen läßt
und den reichen Glanz der Tischdecke zu einem üppigen
Stilleben macht, ist die Meiningerei der Komposition nicht
nur nicht störend, sondern aus dem Pathos der Malerei
strömt dem Bild sogar etwas von der gewollten Stimmung
zu, daß die feierlichen Blankverse von des Menschen
erstem Ungehorsam durch die Stille zu tropfen scheinen.
Während das Bild von Mozarts Krankenzimmer in seinem
flüchtigen Virtuosentum und seiner rohen Malerei völlig im
Eindruck einer gestellten Theaterszene stecken bleibt. So ist
auch der Defregger nicht deshalb schlecht, weil er den pein-
lichen Titel »Zur G’sundheit« führt und weil frisierte Tiroler
und Dirndl darauf ihr Unwesen treiben, sondern weil er
trostlos gemalt ist und über den süßlichen Naturalismus
einer kolorierten Photographie nicht hinauskommt. Oft war
Defregger frischer und reicher; daß Lobmeyr gerade dieses
Bild wählte — und nicht weil es überhaupt anekdotisch
ist — erweckt Verdacht gegen den künstlerischen Tenor
der Sammlung. Makarts »Nymphe und Faun«, Gabriel von
Max’ »Liberte«, Kurzbauers »Kartenlegerin« usw. zeigen
die betreffenden Künstler von der unerfreulichsten Seite,
vertreten nur ihre Namen und ihre Manier, nicht aber ihr
unbestrittenes künstlerisches Können; auch Waldmüllers
»Labung eines Knaben« ist ein ganz besonders mäßiges
Produkt. Daß der Altwiener Hauptmeister, dessen köst-
lichste Werke zur Entstehungszeit dieser Sammlung leicht
zu haben waren, hier nur durch dieses glasig gemalte Bild
— die richtige Publikumsmalerei, zu der sich Waldmüller
gelegentlich bequemte — vertreten ist, ist ein auffallender
Zug, da sonst das Altwienerische bei Lobmeyr besonders
liebevolle Pflege gefunden hat.
Von den älteren Wienern — denn selbstverständlich
hat Lobmeyr sich für die neuere Malerei nicht mehr inter-
essiert und etwa Klimt nur so lange mitgenommen, als er
in seinen recht kitschigen Anfängen stak — sind die meisten
wenigstens in guten Beispielen vertreten; Carl Schindler,
der geniale, als Zwanzigjähriger gestorbene Schüler Fendis
und der 1913 als achtzigjähriger Altmeister verschiedene
Eduard von Lichtenfels sogar ausgezeichnet. Beide aber
— und mit ihnen Fendi, Eibl, Ender, Daffinger, Kriehuber
usw. — treten vor Alt und Pettenkofen zurück, die durch
die Fülle ihrer Werke den Eindruck der Sammlung be-
stimmen; ihr sind eigentlich zwei Spezialkollektionen ein-
verleibt, in denen die heimliche Liebe des sonst auf Re-
präsentation bedachten Sammlers sich Genüge tun konnte.
Er ist hier erfreulicher, wo der Naturalismus, der sich in
seiner Sammlung so grobschlächtig gebärdet, seine reiz-
vollsten Seiten entfaltet; er ist auch vor Mißgriffen gefeiter,
da die gleichmäßige Qualität der beiden Meister ein völliges
Entgleisen verhindert. Ihren Durchschnitt haben die beiden,
zu deren Begabung auch der gewissenhafte Fleiß gehört,
fast immer erreicht; aber sie hatten es — vielleicht gerade
deshalb — schwerer als andere, sich zu ganz freiem und
kühnem Schaffen darüber zu erheben. Und diese außer-
ordentlichen Leistungen, die die ganze Lebensarbeit in den
leuchtenden Edelstein eines Meisterwerks zusammenzwingen
und gerade bei Alt und Pettenkofen der eigentliche
Adelsbrief sind, fehlen in der Lobmeyrschen Sammlung
bei beiden nahezu völlig. Man kann sie von allen Seiten
kennen lernen, nur die Spitzen fehlen, denen die breite
Produktion darunter doch eigentlich nur als Grundlage
dient. Aber Lobmeyr war auch hier nicht der Mann der
Spitzen, sondern eben der breiten Produktion, der gewiß
seinen Alt und Pettenkofen mit aller Liebe anhing, aber
eben vor allem Alt und Pettenkofen schätzte, wie sie im
Buche stehen, wie sie dem Publikum zu Gattungsnamen
geworden sind.
Ein Stück von diesem Publikum war auch Ludwig
Lobmeyr, konservativ, geschmackvoll, unpersönlich, als
kulturelle Erscheinung sicher erfreulicher als die nicht
minder konventionellen Bilderkäufer, die allen Sezessionen
nachlaufen. Aber im Kunstleben seiner Zeit ohne an-
regende Kraft, rein rezeptiv; den Künstlern, auch denen,
die er schätzte, innerlich fernerstehend als der großen
Menge. Diese wird ihm morgen ihren verständnisvollen
Dank sagen, indem sie seine Bilder horrend überzahlt.
DER KUNSTMARKT
allzu typische Erscheinung. Das öffentliche Interesse, das
gerade für die Sammlung Lobmeyr so lärmend in Anspruch
genommen wird, ist an ein solches angebliches Mäzenaten-
tum auch materielle Forderungen zu stellen berechtigt.
Aus alledem ergibt sich der Charakter dieser Samm-
lung; es fehlt ihr der kulturelle Eigenwert anderer Samm-
lungen, die eine ideelle Mitarbeit des Besitzers verkörpern,
die sich für etwas eingesetzt haben und mit dem Ringen
und Siegen einer Kunstrichtung eng verknüpft sind. Sie
ist die Sammlung eines reichen Mannes, der sicher Ge-
schmack und künstlerischen Sinn besaß, aber beides voll
und ganz seiner Zeit und seiner sozialen Schichte gehörig
und ohne persönliche Prägung; er hat die Bilder gekauft,
die alle seines Kreises auch gerne besessen hätten; nie
hat dieser Kunstfreund geprobt und getastet, nie ein sich
erst durchringendes Talent gefördert, nie wider den Stachel
der offiziellsten Kunstanschauung gelockt. Gerade diese
Banalität gibt der Sammlung ihre interessante Einheitlich-
keit; sie stellt ein Idealbild der Siebziger- und Achtziger-
jahre dar, ein Idealbild nicht in dem Sinne, daß die in
dieses Paradies aufgenommenen Richtungen und Künstler
immer durch die besten Beispiele vertreten wären, aber
insofern als alles ausgeschlossen ist, was irgendwie in
künstlerischer Opposition stand und seine eigenen Wege
ging. Fehlt infolgedessen vieles, was uns zum künstlerisch
Wertvollsten jener Zeit zählt, ja für ihren Gesamteindruck
unentbehrlich dünkt, so darf ihr dies gewiß nicht zum Vor-
wurf gemacht werden; nicht was ihr fehlt, sondern was sie
besitzt, gibt einer Sammlung ihre Eigentümlichkeit, und auch
die Lobmeyrsche hat in der Selbstverständlichkeit, mit der
sie den Geschmack eines Wiener Bourgeois von 1880 wider-
spiegelt, ihren eigentlichen Wert.
Dieser Geschmack war ein guter und kultivierter, aber
er war kein sehr feiner und sicherer; er griff nach den
Werken bewährter Meister, deren Namen auf allen Aus-
stellungen glänzten, ohne auf ihre persönlichsten künstle-
rischen Qualitäten sonderlich zu achten; Gutes und Schwaches
dieser Künstler steht in auffallender Ungleichmäßigkeit
nebeneinander. Ausschlaggebend für die Wahl scheint zu-
meist eine gewisse Rundheit gewesen zu sein, ein an-
sprechender Inhalt in einer gefälligen Form; eine senti-
mentale Stimmung oder eine gut erzählte Pointe haben
manches Bild hierher gebracht, fast möchte man sagen, ob-
wohl es künstlerisch wertvoll war. Denn es wäre wohl
ein Irrtum, zu glauben, daß der Durchschnitt der Samm-
lung — die übrigens durch die ausnahmslos abscheulichen
Rahmen sehr leidet — wegen des Überwiegens der
Anekdotenmalerei einen so unerfreulicheu Eindruck macht;
der novellistische Inhalt ist uns heute kein Vorzug, aber
auch kein Nachteil; es gibt Bilder, deren hünstlerische
Qualität er nicht herabdrückt und andere, die auch heute
noch ihre Schwäche hinter den Mätzchen ihres Inhaltes
verschleiern. Für beide Arten enthält die Sammlung gute
Beispiele. Munkäcsys berühmte Schlager »Milton diktiert
das Verlorene Paradies« und »Mozarts Freunde führen vor
dem Todkranken sein Requiem auf« stehen uns inhaltlich
gleich ferne; aber bei der wundervollen Malerei des
ersteren, die das Schwarz des Dichtergewandes, das Wein-
rot des Teppichs, das Aschgrau und Graubraun in den
Kleidern der Töchter köstlich und lebenswarm blühen läßt
und den reichen Glanz der Tischdecke zu einem üppigen
Stilleben macht, ist die Meiningerei der Komposition nicht
nur nicht störend, sondern aus dem Pathos der Malerei
strömt dem Bild sogar etwas von der gewollten Stimmung
zu, daß die feierlichen Blankverse von des Menschen
erstem Ungehorsam durch die Stille zu tropfen scheinen.
Während das Bild von Mozarts Krankenzimmer in seinem
flüchtigen Virtuosentum und seiner rohen Malerei völlig im
Eindruck einer gestellten Theaterszene stecken bleibt. So ist
auch der Defregger nicht deshalb schlecht, weil er den pein-
lichen Titel »Zur G’sundheit« führt und weil frisierte Tiroler
und Dirndl darauf ihr Unwesen treiben, sondern weil er
trostlos gemalt ist und über den süßlichen Naturalismus
einer kolorierten Photographie nicht hinauskommt. Oft war
Defregger frischer und reicher; daß Lobmeyr gerade dieses
Bild wählte — und nicht weil es überhaupt anekdotisch
ist — erweckt Verdacht gegen den künstlerischen Tenor
der Sammlung. Makarts »Nymphe und Faun«, Gabriel von
Max’ »Liberte«, Kurzbauers »Kartenlegerin« usw. zeigen
die betreffenden Künstler von der unerfreulichsten Seite,
vertreten nur ihre Namen und ihre Manier, nicht aber ihr
unbestrittenes künstlerisches Können; auch Waldmüllers
»Labung eines Knaben« ist ein ganz besonders mäßiges
Produkt. Daß der Altwiener Hauptmeister, dessen köst-
lichste Werke zur Entstehungszeit dieser Sammlung leicht
zu haben waren, hier nur durch dieses glasig gemalte Bild
— die richtige Publikumsmalerei, zu der sich Waldmüller
gelegentlich bequemte — vertreten ist, ist ein auffallender
Zug, da sonst das Altwienerische bei Lobmeyr besonders
liebevolle Pflege gefunden hat.
Von den älteren Wienern — denn selbstverständlich
hat Lobmeyr sich für die neuere Malerei nicht mehr inter-
essiert und etwa Klimt nur so lange mitgenommen, als er
in seinen recht kitschigen Anfängen stak — sind die meisten
wenigstens in guten Beispielen vertreten; Carl Schindler,
der geniale, als Zwanzigjähriger gestorbene Schüler Fendis
und der 1913 als achtzigjähriger Altmeister verschiedene
Eduard von Lichtenfels sogar ausgezeichnet. Beide aber
— und mit ihnen Fendi, Eibl, Ender, Daffinger, Kriehuber
usw. — treten vor Alt und Pettenkofen zurück, die durch
die Fülle ihrer Werke den Eindruck der Sammlung be-
stimmen; ihr sind eigentlich zwei Spezialkollektionen ein-
verleibt, in denen die heimliche Liebe des sonst auf Re-
präsentation bedachten Sammlers sich Genüge tun konnte.
Er ist hier erfreulicher, wo der Naturalismus, der sich in
seiner Sammlung so grobschlächtig gebärdet, seine reiz-
vollsten Seiten entfaltet; er ist auch vor Mißgriffen gefeiter,
da die gleichmäßige Qualität der beiden Meister ein völliges
Entgleisen verhindert. Ihren Durchschnitt haben die beiden,
zu deren Begabung auch der gewissenhafte Fleiß gehört,
fast immer erreicht; aber sie hatten es — vielleicht gerade
deshalb — schwerer als andere, sich zu ganz freiem und
kühnem Schaffen darüber zu erheben. Und diese außer-
ordentlichen Leistungen, die die ganze Lebensarbeit in den
leuchtenden Edelstein eines Meisterwerks zusammenzwingen
und gerade bei Alt und Pettenkofen der eigentliche
Adelsbrief sind, fehlen in der Lobmeyrschen Sammlung
bei beiden nahezu völlig. Man kann sie von allen Seiten
kennen lernen, nur die Spitzen fehlen, denen die breite
Produktion darunter doch eigentlich nur als Grundlage
dient. Aber Lobmeyr war auch hier nicht der Mann der
Spitzen, sondern eben der breiten Produktion, der gewiß
seinen Alt und Pettenkofen mit aller Liebe anhing, aber
eben vor allem Alt und Pettenkofen schätzte, wie sie im
Buche stehen, wie sie dem Publikum zu Gattungsnamen
geworden sind.
Ein Stück von diesem Publikum war auch Ludwig
Lobmeyr, konservativ, geschmackvoll, unpersönlich, als
kulturelle Erscheinung sicher erfreulicher als die nicht
minder konventionellen Bilderkäufer, die allen Sezessionen
nachlaufen. Aber im Kunstleben seiner Zeit ohne an-
regende Kraft, rein rezeptiv; den Künstlern, auch denen,
die er schätzte, innerlich fernerstehend als der großen
Menge. Diese wird ihm morgen ihren verständnisvollen
Dank sagen, indem sie seine Bilder horrend überzahlt.