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Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner u. Sammler — 15.1918

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XV. Jahrgang (1917 / 1918)
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Nr. 11 (14. Dezember 1917)
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https://doi.org/10.11588/diglit.54654#0087
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DER KUNSTMARKT
XV. Jahrgang 1917/1918 Nr. 11. 14. Dezember 1917

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 10 Mark.
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leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. Ä. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. 11a.
Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

VERSTEIGERUNG DER SAMMLUNG VON KAUFMANN

Alles trug das Zeichen eines großen Ereignisses:
Achttägige Vorbesichtigung mit polizeilicher Schließung
auf halbe Stunden wegen Überfüllung. Selten kann
ein Museum eine solche Besucherzahl aufweisen. Und
doch hätte man oft gern jien vielen Fragern, ob
man schon den Roger v. d. Weyden gesehen habe,
geantwortet, ob sie denn den im Museum schon ein-
mal gesehen haben. Sensationell war auch die
Nachfrage nach dem dreibändigen wertvollen Katalog,
der in kleiner Auflage vergriffen war: »Sie Glücklicher,
ich biete Ihnen . . .« Auch für die, welche die Samm-
lung in den Räumen des verstorbenen Besitzers kannten,
brachte die freie Entfaltung in den sieben Sälen des
Ausstellungshauses der Freien Sezession am Kurfürsten-
damm noch manche Überraschungen. Als dann der
4. Dezember da war und Auto auf Auto heranrollte,
und der Vorraum sich immer mehr füllte mit großen
Namen, die im Getuschel und verstohlenen Finger-
zeigen Erklärung fanden, spannte sich die Stimmung
einer Opernhaus-Premiere von Strauß — der übrigens
auch erschienen war — über die Teilnehmer. Für
die Namen der Museumsleiter, Sammler und großen
Händler mag der Hinweis auf irgend ein Kunsthand-
buch genügen: es waren alle anwesend. Auch die
Bundesgenossen und das neutrale Ausland. Schon
die Interessentenreihe sagt deutlich, daß es sich bei
der Ertragssumme von nahe 12 Millionen Mark, mit
der die Schätzungssumme fast um das Doppelte über-
holt wurde, nicht um eine Kriegsgewinner-Sensation
gehandelt haben kann. Es gab wohl keinen Käufer,
der nicht die gleiche Summe auch im Frieden hätte
anlegen können, obwohl natürlich mancher Name mit
Kriegsgewinn in Zusammenhang gebracht werden
könnte. Für den »Kriegsgewinner« aber war hier
kein Platz: Eigenart und Qualität dieser Sammlung
der Primitiven liegen nicht auf der Bahn von Neulingen.
Noch einmal nach all den Gründen zu forschen, auf
denen die schwindelnde Höhe des heutigen Kunst-
marktes sich aufgebaut hat, soll hier unterbleiben.
Daß es aber in diesem Falle viele, sehr viele Momente
waren, die diese einzigartige Konstellation hervorriefen,
ist gewiß. Wie auch immer: es ist eine Tat — und
das Echo im feindlichen Ausland wird uns die besten
Seiten dieses Ereignisses noch deutlicher werden lassen.
Wir lasen ja hier die Nachricht, daß man auf einer
großen englischen Auktion den deutschen Käufer ver-
mißt hat. Nur wenige Stücke der Auktion Kaufmann
sind in das neutrale Ausland gegangen, und auch diese
konnten dem deutschen Sammler nur schwer abgerungen
werden. Daß der deutsche Sammler den größten Teil

trug, das ist die Tat. Und die relativ wenigen Bilder,
welche die großen Händler erwarben, läßt auf 'keine
spätere Auslandsspekulation schließen (gekauft wurde
allerdings vielfach von Händlern, aber meist im Auf-
trage der anwesenden Sammler, deren Namen wir
z. T. hier geben).
Für die vielen kleinen Bilder der italienischen
Primitiven war diese Versteigerung eine Kraftprobe.
Und als bereits die siebente Nummer, »Madonna«
von Lippo Memmi, allerdings eines der schönsten
Stücke dieser Reihe, den Taxwert weit um das Dop-
pelte übertraf und einem Wiener Privatmann mit
62000 M. zugeschlagen wurde, war die Durchschnitts-
lage von 20 — 25 000 M. gesichert. Schon bei diesen
Stücken machte sich die besondere Kauflust einer Reihe
von Frankfurter Sammlern bemerkbar. So ging»Christus
am Kreuz« von Berna da Siena für 29000 M. dort-
hin; Giovanni di Paolos sehr interessante Tafeln von
einer Altarpredella folgten mit 42000 M., während der
Frankfurter Sammler v. Weinberg mit 78000 M. das
Tondo der Madonna aus der Werkstatt Botticellis
erwarb. Amüsanter als dieser große Preis ist
die Vorgeschichte des Bildes, das v. Kaufmann einst
aus den Amorsälen Berlins kaufte —- wo der frühere
Sammler es als Zechenpfand einer lustigen Nacht hatte
zurücklassen müssen —, bevor er es noch auslösen
konnte. Für Botticellis »Judith« zahlte J. Böhler-Mün-
chen 110000 M.; wohl echt, aber kein angenehmes
Bild. Dagegen konnte Drey-München mit der geringen
Summe von 48 500 M. für Piero di Cosimos »Pro-
metheus-Mythos« sehr zufrieden sein, und wir noch
angenehmer berührt, wenn, wie die große Hoffnung
besteht, das Bild in die Münchener Pinakothek gelangt.
Mit der »Anbetung der Könige« von Giovanni di Paolo
für 50000 M. an Frau Dr. Kröller-Haag trat zum
ersten Male das neutrale Ausland hervor. Fast hatte
es den Anschein, als ob auch die prachtvolle »Pre-
della mit der Drusiana-Legende« von Lauro Padovano
dem gleichen Holland zufallen sollte; denn Prof. Lanz-
Amsterdam schoß förmlich auf das Stück zu und
schnellte vom letzten Gebot von 100000 M. auf
150000 M., um alle totzulegen, womit es ihm zufiel.
Doch soll dieser temperamentvolle Vorstoß ganz im
Sinne eines großen deutschen Sammlers erfolgt sein,
so daß dieses schöne Werk auf heimischem Boden
bleibt. Mit 38500 M. bezahlte Drey-München die
»Legendenszene«, deren Attribution an Carlo Crivelli
sich nicht recht einbürgern will. Dem Venetianer ist
Herr v. Nemes-Budapest treu geblieben und zahlte für
eine »Verkündigung« von 1440 10000 M., für eine
 
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