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Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner u. Sammler — 15.1918

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XV. Jahrgang (1917 / 1918)
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Nr. 27 (19. April 1918)
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https://doi.org/10.11588/diglit.54654#0187
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DER KUNSTMARKT

XV. Jahrgang 1917/1918 Nr. 27. 19. April 1918
Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 10 Mark.
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Auktionskalender auf der vierten Umschlagseite

DIE VERSTEIGERUNG DER SAMMLUNG EDGAR DEGAS IN PARIS*)

Die Pariser Zeitungen der letzten Märztage — nicht
alle, sondern nur ein paar von den größten, wieTemps
und Figaro — berichten von dem ersten großen Er-
eignis des französischen Kunstmarktes in diesem Kriege,
von der Versteigerung der nachgelassenen Sammlung
des Malers Edgar Degas. Und es sind keine stolzen
Verkündigungen großartiger Zahlenergebnisse, keine
langatmigen Stimmungsberichte, sondern nur ein paar
kurze Notizen und Mitteilung der hauptsächlichsten
Ergebnisse. Allerdings waren es diesmal die ersten
Tage der großen Offensive, und die Franzosen hatten
an anderes zu denken als an Bilderversteigerungen.
Auch fielen damals gerade die ersten Granaten der
deutschen weittragenden Geschütze in die Stadt, und
die Pariser interessierten sich mehr für diese unheim-
lichen Sendboten des Feindes als für ein künstlerisches
Ereignis, das zu anderen Zeiten gewiß das Prädikat
ersten Ranges verdient und erhalten hätte. Aber auch
abgesehen von den zufälligen besonderen Verhältnissen
jener Tage, ist es wohl typisch, wie diese Versteigerung
in Frankreich verlaufen ist, die ein so anderes Gesicht
zeigt als ihre zahlreichen Vorläuferinnen in Deutsch-
land. Spricht doch allein die Tatsache, daß die Auktion
Degas in der klassischen Stadt der Auktionen die erste
wirklich beträchtliche Kunstversteigerung während des
Krieges war, schon zur Genüge. Vor allem aber die
Preise! Gewiß reichte das Gesamtergebnis nahe an
zwei Millionen Franken. Gewiß gab es Rekordpreise,
wenigstens für Ingres, dessen Bildnisse von Herrn und
Frau Leblanc, die Degas einst um 12000 Fr. ersteigert
hatte, jetzt 271 000 Fr. brachten, dessen Marquis de Pa-
storet mit 90000, dessen Norvins mit 70000 Fr. be-
zahlt wurden. Auch Delacroix’ berühmtes Porträt des
Baron Schwiter, um das sich der Louvre vergebens
bemühte, erzielte mit 80000 Fr. einen beträchtlichen
Preis. Knoedler erwarb es für Amerika. Dafür ge-
lang es dem Louvre, ein anderes Werk Delacroix’,
das Zimmer des Grafen Mornay, um 22000 Fr.
zu erwerben. Die »Schlacht von Nancy« ging für
31000 Fr. nach Dänemark.

*) Dieser Bericht ist der Redaktion von einem sehr
kenntnisreichen Schweizer Kunstfreunde, der in der Nähe
von Genf lebt, eingesandt worden. Wir hatten ihn um
einen Bericht über die Vente Degas gebeten und er hat
diese Gelegenheit zu einigen allgemeinen Betrachtungen
benutzt. Es ist klar, daß ihm die französischen Verhältnisse
geläufiger sind als die deutschen, obwohl er früher bei uns
ein häufiger Gast war. Jedenfalls scheint uns diese Stimme
eines ehrlichen Neutralen sehr beachtenswert.

Ich glaube nicht, daß der deutsche Kunstmarkt
während des Krieges besonders viel Gelegenheit hatte,
Delacroix-Preise zu erproben, geschweige denn wich-
tige Werke von Ingres zu veräußern. Aber was wird
man dazu sagen, wenn ein allerdings kleiner Corot,
eine Straße in der Normandie, für 6600 Fr. zu haben
war, Ruinen in der römischen Campagna für 5600, ein
offenbar bedeutendes Werk, eine Felsenlandschaft aus
der Auvergne, für 23500 Fr. Ein sitzender Mann von
Daumier kostete 20000 Fr. Fast mehr noch als diese
Zahlen geben die Preise zu denken, die für Werke
der Impressionisten angelegt wurden. DerTemps findet
es königlich bezahlt, wenn die »Abfahrt des Damp-
fers« von Manet für 40500 Fr. nach Dänemark ging,
wenn ein sehr bedeutendes Herrenporträt 30000 Fr.,
ein Schinkenstilleben 30600, ein Bildnis der Berthe
Morisot 27 600, die »Frau mit der Katze« 25 500,
eine rauchende Inderin 32000 Fr. brachte. Die Preise
für Cezanne waren folgende: ein Selbstbildnis 30500,
ein badender Mann 23 000, das bekannte Bildnis des
Herrn Choquet 22500, ein Stilleben mit Äpfeln und
einem Glas 24700 Fr. Ein Sonnenblumenbild von
van Gogh kostete 19 200 Fr., ein Stilleben mit Äpfeln,
Birnen, Zitronen und Weintrauben 16 500 Fr. Ein
Frauenporträt von Renoir erzielte 32 000 Fr., eine
Überschwemmung von Sisley 15 000 Fr., Bilder von
Gauguin kosteten 8000 bis 15 000 Fr.
All das sind stattliche Preise, aber sie bewegen
sich doch im Rahmen dessen, was etwa auch vor
dem Kriege für solche Bilder angelegt wurde, und
sie sind immerhin weit entfernt von den sprunghaften
Preissteigerungen, von denen man hier gelegentlich
aus Deutschland erzählen hört. Es ist nicht ganz leicht,
eine Erklärung für diese auffallende Verschiedenheit
zu finden. Es ist selbstverständlich, daß der Vorrat an
Bildern der französischen Impressionisten in Deutsch-
land ein geringerer ist und sich allmählich erschöpft.
Die Preissteigerung erstreckt sich aber auf andere
Kunstwerke in ähnlichem Grade, und sie hat gelegent-
lich Formen angenommen, die ruhiger Denkende auch
in Ihrem Lande beunruhigten. Es ist etwas Schönes
um die Liebe zur Kunst, und kein verständig Urtei-
lender wird Deutschland seine Bewunderung versagen
wollen, daß es auch im Kriege diese Liebe zu be-
wahren wußte, ja daß es sie, wie es den Anschein
hat, sogar noch steigerte. Aber ist es wirklich allein
die Liebe zur Kunst? Spielt nicht die Suggestion der
Zahl hier eine Rolle, vor der man sich hüten sollte?
Ich entsinne mich des Briefes eines holländischen
 
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