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Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner u. Sammler — 15.1918

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XV. Jahrgang (1917 / 1918)
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Nr. 18 (8. Februar 1918)
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DER KUNSTMARKT

Vorbilder beeinflußten, erst seit kurzem wiederer-
kannten niederländischen Zeitgenossen, Ambrosius
Benson. Es sind besonders ausgezeichnete Beispiele
seiner Kunst.
Die großen flämischen Meister sind fast vollstän-
dig vertreten. P. P. Rubens mit einer seiner groß-
stiligen Landschaften sowie mit zwei größeren Skizzen,
darunter mit einer der Skizzen zu den allegorischen
Deckenbildern in Whitehall zu London, den Sieg der
Eintracht über die Zwietracht darstellend, ein Werk,
das die ganze blühende Frische der Farben und die
meisterhafte Breite seiner letzten Zeit aufweist. —
Von A. van Dyck ist die kleine, farbige Studie zum
Porträt des Malers Ryckaert besonders anziehend. —
Unter zwei guten Bildern von D. Teniers sind die
Bogenschützen durch den hellen, sonnigen Ton und
die leichte Malweise ein Hauptbild. — Auch die
»Familie« von O. Coques gehört zu den besten
Werken dieses »kleinen van Dyck- , wie er mit Recht
schon zu seiner Zeit genannt wurde.
Am reichsten und bedeutendsten ist die hollän-
dische Schule vertreten. Hier fehlt kaum einer der
großen Meister: voran Frans Hals gleich mit drei
Bildern. Das Bildnis einer behäbigen, jüngeren Haar-
lemer Dame in beinahe halber Figur hat die er-
quickende Frische der Auffassung, die flotte und hier
doch liebevolle Ausführung, die die mittlere Zeit des
Künstlers um 1650 vor allem auszeichnet. Sein jo-
vialer Sinn, sein köstlicher Humor kommt voll zur
Geltung in den beiden runden Bildern lachender,
blondlockiger Buben, die prima mit großer Virtuosität
hingestrichen sind. — Hals’ Altersgenosse, der Amster-
damer Th. de Keyser, würdevoller und sorgfältiger
als der große Haarlemer Meister, kommt ihm in
Bildnissen in kleinem Format gelegentlich nahe, ja
in Meisterwerken, wie den Brustbildern eines jungen
Mannes und seiner Gattin in der Galerie Oppenheim,
kommt er ihm in Frische der Auffassung und flotter
Behandlung sogar gleich. De Keyser hat vollendetere
und anziehendere Bilder wie diese nicht gemalt.
In einer Sammlung wie der Oppenheimschen
durfte auch Rembrandt nicht fehlen. Der Studien-
kopf eines jungen Mädchens ist ein Werk der fünf-
ziger Jahre, einer Epoche des Künstlers, der jetzt vor
allen anderen der Vorzug gegeben wird. Die reiche
Färbung, der leuchtende Ton, die tiefe Empfindung
zeichnen sie vor allem aus. — Die großen Genre-
maler sind fast vollständig vorhanden. — Gerard
Ter Borchs »Zechendes Pärchen besitzt in hohem
Maße die delikate Färbung und feine Zeichnung,
worin der Künstler alle anderen Meister Hollands
übertrifft. — Jan Steens »Versuchung« kennzeichnet
den köstlichen, ihm eigenen Humor. Die »Drei
Zecher« von Adriaan von Ostade, zwar von beschei-
denem Umfang, zählen zu den besten Arbeiten des
Künstlers durch den warmen Ton bei reicher Fär-
bung und ungewöhnlich guter Charakteristik. — Das
Hauptwerk unter den sittenbildlichen Darstellungen
ist aber die »Mutter mit ihren Kindern« von Pieter
de Hooch. Es gehört der früheren, seltenen Zeit
des Meisters an; die Jahreszahl 1658 neben dem

Monogramm auf dem Bilde beweist, daß es gleich-
zeitig mit de Hoochs Meisterwerken in der National-
Gallery, im Buckingham-Palace und mit anderen ähn-
lichen Hauptwerken entstanden ist. Am nächsten
steht es dem Bilde mit einem ganz ähnlichen Motiv
im Rycks-Museum zu Amsterdam, mit dem es auch
den warmen, noch an Maes erinnernden Ton und
die leuchtenden roten Farben gemein hat.
Als große Seltenheit sei auch ein zwar kleines,
aber sehr eigenartiges Meisterwerk von Paulus Potter
genannt, die »Schweineherde im Sturm«, das den
Künstler auch als Meister in der dramatischen Dar-
stellung der Tiere kennen lehrt. Es ist ungewöhn-
lich breit und effektvoll behandelt. — Eine kleine
Landschaft mit Kühen von Aalbert Cuijp zeigt die
Tiere vor glühend warmem Abendhimmel.
Unter den großen Landschaftsmalern Hollands
fehlt keiner. Von Jacob van Ruisdael ist die »Buchen-
allee« eines der selteneren einfachen Motive seiner
holländischen Heimat, die der Künstler aber ebenso
wahr wie reizvoll zur Darstellung bringt. Von
Meindert Hobbema besitzt die Sammlung sogar zwei
trefflicheGemälde: »DieWassermühle«(Abb.S. 120) und
das umfangreichere »Dorf unter Bäumen«, beide aus den
sechziger Jahren, in denen er seine ebenso seltenen
wie ausgezeichneten Werke in der National-Gallery
und im Louvre gemalt hat. - »Die Bleiche bei
Haarlem«, nach der Bezeichnung ein Werk des Jan van
Kessel, kommt den bekannten Bildern Jacob Ruisdaels
mit dem gleichen Motiv ganz nahe (Abb. S. 120). —
Der große »Winter« von Aart van der Neer ist von
ungewöhnlicher Breite der Behandlung und sehr eigen-
artig und wirkungsvoll dadurch, daßdieLandschaftdurch
die dicht fallenden Flocken gesehen ist (Abb. S. 120).
Das kleine, flott hin gestrichene Interieur der »Schmiede«
ist ein Unikum als Motiv, das wir als Werk des Aart
van der Neer nicht erraten würden, trüge es nicht
das echte Monogramm des Meisters. Das Bild be-
weist, daß das Talent des feinsinnigen Künstlers, den
man mit Unrecht nur als Spezialisten für Winter- und
Mondscheinlandschaften betrachtet, jedem Motiv ge-
wachsen war. Offenbar waren es auch hier die ver-
schiedenen Lichteffekte, die ihn zu der Darstellung
reizten, ihre Widergabe ist ihm trefflich gelungen.
Noch sind ein paar Porträte zu nennen: das
lebensvolle Bildnis einer alten Dame von Cornelisz
Verspronck, Hals’ tüchtigstem Nachfolger unter den
Porträtmalern, sowie ein sehr wirkungsvolles Porträt
eines jungen Herrn in reicher Tracht, das wegen
seiner großen, schlichten Wirkung dem Velazquez
zugeschrieben wird. In der Tat wird man vor diesem
stattlichen Bildnis in ganzer Figur sofort an ähnliche
Porträte aus Velazquez’ früherer Zeit, an die Bildnisse
des Olivarez und das seines jungen Königs, erinnert.
Ist der tüchtige Künstler ein Spanier oder war er ein
Flame, der vorübergehend in Madrid lebte und dort
— um das Jahr 1630, in das wir das Bild zu setzen
haben — den Einfluß von Velazquez erfuhr?
Außer den genannten sind noch andere ungewöhn-
lich gute Bilder in der Sammlung, deren Aufzählung
zu weit führen würde. IF. von Bode.
 
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