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Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner u. Sammler — 15.1918

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XV. Jahrgang (1917 / 1918)
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Nr. 27 (19. April 1918)
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https://doi.org/10.11588/diglit.54654#0188
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DER KUNSTMARKT

Kunstfreundes, den Exzellenz v. Bode einmal — es
war wohl in der ersten Zeit des Krieges — ver-
öffentlicht hat. Es war die Stimme eines Freundes
und Bewunderers deutscher Kultur, die damals vor
dem Hang zum Kolossalen warnte. Wie recht er hatte,
haben mittlerweile, wie ich zu wissen glaube, viele
gute Deutsche begriffen, viele waren sich dessen gewiß
auch zuvor schon bewußt gewesen. Ich weiß nicht,
ob das Ausland damals von diesem Briefe Notiz ge-
nommen hat, und ich glaube es nicht. Ich weiß aber,
daß die französischen Zeitungen heut, wenn sie sich
in ihren gewiß widerwärtigen Schimpfereien auf Deutsch-
land ergehen, nicht leicht das Wort »kolossal« ver-
gessen, das sie gesperrt drucken und mit einem k
schreiben.
Es ist eine bekannte Tatsache, daß der Haß die
Fähigkeit besitzt, scharf zu sehen. Und es ist wohl
möglich, daß hier eine schwache Seite des deutschen
Charakters getroffen ist. Auch dieser Hang zum
Kolossalen ist eine Art von Sentimentalität, von der
Ihr kluger Bethmann - Hollweg einmal behauptete,
Deutschland habe sie für immer verlernt. Das hat
gewiß schon damals niemand geglaubt, und es wäre
auch schade darum, aber es ist eine Tatsache, daß
andere Völker realer denken.
Doch ich werde nun gewiß ein wenig weit-
schweifig, und es ist Zeit, daß ich zu meinem Thema
zurückkehre. Man wird mich verstanden haben. Ich
glaube, daß die Franzosen nüchterner blieben in der
zahlenmäßigen Bewertung ihrer eigenen Kunst. Es

ist wohl wahr, daß die französischen Impressionisten
fast mehr Bewunderer und Käufer in Deutschland
fanden als in ihrem eigenen Lande, und gewiß wären
auch unter anderen Umständen die Bilder vielleicht
teurer geworden, wenn die deutschen Händler und
Sammler nicht ausgeschlossen gewesen wären. Aber
das erklärt noch nicht die Preisdifferenz, die man
sich nach Analogieschlüssen in der Phantasie aus-
malt, für den Fall, daß diese Sammlung in Berlin
versteigert worden wäre. Auch die Kursschwankungen
genügen nicht zur Erklärung. Man muß in der Tat,
so seltsam es in Geldsachen erscheinen mag, auf
psychologische Momente zurückgreifen.
Mit meinen kurzen Andeutungen glaube ich
keineswegs das ganze Problem gelöst zu haben. Im
Gegenteil, ich weiß sehr wohl, daß ich nur eine
Seite berührte, und daß es deren in Wahrheit viele
hat. Aber ich glaubte, daß es Ihre Leser, denen im
allgemeinen Nachrichten aus Frankreich jetzt nicht
zur Verfügung stehen, interessieren würde, einige
Preise aus dieser wichtigen Versteigerung zu erfahren.
— Zur Ergänzung sei noch beigefügt, daß der heilige
Ildefonso von Greco, den Degas aus dem Nachlaß
des Malers Millet für 480 Fr. erworben hatte, jetzt
82000 Fr., der heilige Dominikus des Greco 52 000 Fr.
brachte. — Und ich glaubte, daß es auch nicht un-
nütz sein könnte, in Deutschland die Stimme eines
gewiß unmaßgeblichen, aber ehrlich befreundeten
Neutralen über die erstaunlichen Erscheinungen auf
dem Gebiete des Kunsthandels zu vernehmen. M. R.



Sammlung Dr. S. Versteigerung in der Galerie Commeter, Hamburg, am 6. Mai und folgende Tage
 
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