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Kurth, Ferdinand Max [Mitarb.]; Reichard, Mea [Mitarb.]
Das Kunsttheater: Zeitschrift für künstlerische Kultur — 1902

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Driesmans, Heinrich: Die unterbewußte Natur der Kunst: Ein Beitrag zur künstlerischen Kultur
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https://doi.org/10.11588/diglit.65889#0014

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Die unterbewußte Natur der Kunft-

Ein Beitrag zur künſtleriſchen Kultur-
von heinrich Driesmans-

Im Traume pflegt es haufig zu geſchehen daß wir / in eine lage
verſetzt / welche eine plötzliche entſchiedene bewegung erfordert, uns außer
Stande fühlen / diefe zu vollführen. wir glauben uns verfolgt und
wollen fliehen — wir fürchten / von einer höhe herabzuſtürzen und
wollen uns anklammern — wir ſehen einen Menſchen in öefahr und
wollen ihm beiſpringen: aber jeclesmal verſagen unſere 6lieder den
dienſt im entſcheidenden Augenblich / wir fühlen uns wie gelahmt und
müſſen das verhangnis über uns ergehen lafen- wenn die beangſtigung
ihren höchſten örach erreicht / tler verfolger über uns kommt / der Abfturz
geſchieht / ocler der / dem wir beiſpringen wollen / zu örunde geht / pflegt
clann mit einem Ruck clas erwachen einzutreten ˖

dem berfaſler begegnet es zuweilen / daß er ſich in ſeine einjahrig-
freiwillige dienſtzeit zurückverſetzt träumt. die Kompagnie ſteht in
Reih' und bliec / der offizier vor der front kommandiert Stillgeſtanden!' —
clem Traumengen aber iſt es nicht möglich / ſich aufrecht zu halten /
trotz aller Anſtrengung und zu ſeiner tiefſten Beſchämung knicken ihm
clie Kniee ein und er geräth in dieſem britiſchen Augenblick in eine
liegende Stellung / aus der er ſich vergeblich aufzuraffen müht- Sehr
haufig tritt auch der fall ein / daß / waͤhrentl er ſich in einer großen
beſellſchaft zu bewegen traumt / er plötzlich wahrnimmt / er ſei unbekleidet
oder nur zum Ceil betleckt ˖ haſtig ſpaht er nach ſeinen Kleidungsſtücken
umher: ſie liegen irgendwo in der nahe / aber er kann nicht zu ihnen
gelangen / weil er ſich nicht machtig fühlt / einen fuß vor den anderen
zu ſetzen ˖ der verfaſler war anfangs geneigt / dieſe Art zu traumen
für eine beſondere eigentümlichkeit ſeiner natur zu halten / aber eine
Umfrage bei freunden hat ihn darüber belchrt / daß wenigſtens der
letztere fall eine ſehr häufig eintretende Traumerſcheinung ift- dieſe
erfahrung hat ihn dazu geführt / über den brund der merkwürdigen
erſcheinung nachzudenken / daß der Menſch im Traum zwar die mannich-
fachſten dramatiſchen Erlebniffe hat / aber / fobald er ſelbſt in die ſich in
ſeinem öchirn abſpielende hanclung eingreifen / ſich bewegen oder
ſprechen will / ſeine Kräfte verlagen — und daß er ſich meiſtens nur

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