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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 22,1.1908

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1908)
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Pfordten, Hermann von der: Mozart
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https://doi.org/10.11588/diglit.7704#0026
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als ein musikalisches „bis hierher und nicht weiter", sondern den Meister
zu zeigen, der geschaffen hat, was wir Musik nennen. Und darum
soll die Losung nicht etwa heißen „zurück zu Mozart" — das wäre
töricht und aussichtslos, und damit wäre er totgemacht für alle Zeiten;
sondern die Parole sei „empor zu Mozart und mit ihm vorwärts!"
Den Licht- und Liebesgenius hat ihn Richard Wagner genannt,
unsern größten Meister dürfen wir ihn nennen. älnd solange die
Deutschen es nicht wieder verlernen, was er sie gelehrt hat, deutsch
zu empfinden und deutsch zu singen, wird er der unsere sein.

Wollen wir darauf bauen? Paul Heyse wirft in seinem Prolog
zur Münchner Mozartfeier s89s (am hundertjährigen Todestag) die
Frage auf, ob es möglich wäre, daß auch für diese höchste Kunst
die Stunde schlüge, da ihr Kranz im Wandel alles Irdischen ent--
blätterte, und antwortet:

„Wir ahnen's nicht. Wir wissen cines nur :

Käm eine Zeit, die dich nicht licbt und chrtc,

Die von dem Schatz, den dn der Wclt gegebcn,

Du Götterliebling, fühllos stumpf sich kehrtc,

Müßt auf der wandelbarcn Erde hier

Ein neu Geschlecht mit neuen Sinnen lebcn,

Angleich dcm unscrn völlig."

Solch Zukunftsbild liegt doch wohl in weiter Ferue. Bis jetzt hat
die Weltgeschichte vielmehr das Gegenteil erwiesen: bei allem Fort-
schritt der Entwicklung bleibt das Wesen des Menschen sich gleich.
Darum ist der Künstler, der es einmal rein und wahr dargestellt hat,
weit über seine Zeit hinaus vernehmbar. Vergänglich ist nur das
Äußerliche, und wir sind schuld, wenn wir das verwechseln:
„Veralten muß, dic cwig wir gcglaubt,

Die Form — und nur die ncue schcint die wahre."

Daue^rd ist der Ewigkeitswert aus dem Inneren; und eben darin
erweist er seine Urkraft, daß er immer neuen Ausdruck fordert und
findet. Also nicht in Mozarts Form und Stil liegt das Heil: ge-
radezu lächerlich ist es, zu verlange'n, irgendein anderer solle so
komponieren wie er, als wenn das überhaupt denkbar wäre! Sondern
in seinem Sinn und Geist, der aus seineu Tönen zu uns spricht,
unverkennbar und unvcrletzbar, wenn wir ihn recht verstehen. Echt
Mozartisch — das heißt nicht klein und nett und kindisch und spiele-
risch, nicht leicht und zierlich und oberflächlich und frivol, nicht glatt
und matt und kalt und schal. Echt Mozartisch — das heißt wahr
und warw und innig und sich selbst getreu, das heißt aller Poss
und Phrase fern sein, natürlich und gesund, adelig schön und damit
fähig, jeder mcnschlichen Empfindung ihre Herzensmelodie abzu-
lauschen, in unerschöpflicher Mannigfaltigkcit vom heitern Lächeln
bis zu bitteren Tränen, von froher Laune bis zum tragischen Er-
schauen. Das ist's, was seine Musik uns sagt; und das sei und
bleibe immerdar unser tonkünstlerisches Ideal: echt Mozartisch, echt
musikalisch und echt deutsch!

Denken wir nur ja nicht, daß wir solchen Ideals entbehren könnten.
Wir brauchen es eben jetzt, da eine stolze Entwicklung auf einem

^ (0 Kunstwart XXII, I ^
 
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