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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 22,1.1908

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Heft 5 (1. Dezemberheft 1908)
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Avenarius, Ferdinand: Boehle
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7704#0334
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Malerei. Aber auch das lieblich Idyllische kommt hier zur Geltuug,
in seinem Frauziskus beispielsweis. Nur sei es immer wieder ge°
sagt: alles vou Stoff und auch von Gehalt, was Boehle zeigt, ist
künstlerisch gebändigt. Boehles ganze Kunst ist Maß, Beherrschung,
Verhaltenheit. Wem aber diese Stille zu tönen beginnt, dem wird
sie vom erschütternd Tragischen bis zum lächelnden Humor voller
Sprache sein. Einer Sprache, die sich ausnahmslos aus dem Figür-
lichen als aus der Melodie, und aus der Umgebung, meist also
der Landschaft, als der vollwichtigen Begleitung zusammenwebt zu
einer durchaus organischen, durchaus geschlossenen Linheit.

Ich erwähnte vorhin Hildebrand, den Plastiker. Man wird sich
vor Boehles „Europa" und sonst oft vor seinen Bildern fragen:
ist das nicht eigentlich plastisch gesehen? Bei der Europa verlvckt
noch besonders dazu, daß der Stier weiß ist und also auf der Re-
produktion geradezu an Abbildungen von Marmorwerken erinnert.
Entspringt nicht auch sonst mitunter der Gedanke „das ist plastisch"
bei seinen Bildern einer „Verlockung", lassen wir uns nicht manch-
mal dabei von dem Uugewohnten verführen, datz einem Maler auch
das Große der Form wichtig ist? Iedenfalls kenne ich kein Bild
von Boehle, bei dem die Fläche nicht zum Gesamteindruck Unentbehr-
liches brächte, das sich nur auf der Fläche bringen ließe. Aber
Boehle ist Maler und Bildhauer, und selbstverständlich erkennt man
ihn hier wie dort aus den ersten Blick. Das Bedeutendste seiner
Plastik, von dem ich weiß, ist seine Gruppe „Theseus uud der Stier".
Die alte Frankfurter Mainbrücke wird bald ein Boehlesches Reiter-
bild Karls des Großen bekommen.

Könnten wir heute schon mit vielen Bildern in der Hand von

Boehle sprechen, so hätte es Sinn, auf all das und noch manches

andre näher einzugehn. Zum Beispiel auch auf seine wundersame
Bildnismalerci und in andrer Richtung auf die schmähliche Tat-
sache, daß ein zur Monumentalmalerei so vor andern Berufener

zu öffentlichem Dokumenten-Lchaffen größten Stils immer noch nicht
erwählt worden ist. Aber Bilder nach Boehlescher Kunst zu reprodu-
zieren, war bisher kaum möglich, es ist auch jetzt uoch keine leichte
Sache. Immerhin liegen nun die Radierungen von ihm, Faksimile
in Photogravüre reproduziert, in zwei großen Sammelmappen des
Callweyschen Verlages vor, und weitere Reproduktionssammlungen
sollen auch den Maler und Bildhauer den Kunstfreunden zeigen.

Es wird also möglich sein, binnen kurzem das hier skizzierte Bild
auszuführen und, vor allem, zu ergänzen. Der Kunstwart seiner-
seits denkt das Mitgenießen der Welt dieses Künstlers durch das
Herausgeben einer ihm gewidmeten Mappe zu fördern. A

Lose Blätter

Aus Conrad Ferdinand Meyers Briefen und Aufsätzen

sConrad Ferdinand Mchers Vriefe bilden kcinen blühenden Garten
mit stillen Winkcln und Wandcrwegen, keinc Leidcnschaft strömt, keine
süße Melodie erklingt darin. Wer die bisherigen Veröffentlichungen aus

j. Dezemberheft 1903 269
 
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