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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 22,1.1908

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Heft 2 (Zweites Oktoberheft 1908)
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Avenarius, Ferdinand: Auch ein Bilderbuch ohne Bilder: zur Urheberschutz-Konferenz
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https://doi.org/10.11588/diglit.7704#0103
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Iahrg. 22 Zweites Oktoberheft 1908 Hest 2

Auch ein Bilderbuch ohne Bilder

Zur Urheberschutz-Konferenz

^^a, ein paar Bilder aus dem wirklichen Sein. Kein einziges,
^tbei dem nicht ein tatsächliches Erlebnis konterfeit wäre. Nur
f^Ium keinen zu beleidigen, nenne ich keinen Namen und verändere
in Nebensachen, nur in Nebensachen die Angaben so weit, daß keiner
auf die richtigen Leute schließen kann. Denn es sind nicht Personen,
die ich angreife, sondern Zustände. Erfaßte man's doch endlich über
unsern Kreis hinaus, daß Urheberrechtsfragen nicht nur „Interes-
senten"-Fragen sind, daß sie in unsres ganzen Volkes geistiges Ge-
deihen hineinwachsen. Es ist, als schliefe hier unsre Kultur, wo die
Zivilisation so überbetriebsam geschäftelt. Könnten wir sie erwecken
zu Zorn und Tat, so könnte unser Volk hier wieder einmal der ganzen
Welt voranschreiten.

Erstes Bild. In einer deutschen Großstadt war internationaler
Schriftsteller-, Musiker-, Künstler-, war Urheber-Kongreß. Königs-
Protektorat, Minister-Toaste, hohe Orden an die Arrangeure, Fest-
essen auf Kosten der Stadt, Festtheater im Opernhaus usw., denn
alle wollten zeigen, daß man die ganze gewaltige Bedeutung dieser
Bewegung begreife. War doch alles geschehen, um glauben zu machen,
um den Schutz großer Geistesgüter handle sich's hier. Nicht bloß
durch die Zeitungen der Stadt, durch den gesamten Blätterwald
im Deutschen Reich wogten ja die Begeisterungsaufsätze wie Geibels
Glocken im Iubelsturm. „Der Denker, der Dichter, der Künstler, mit
einem Worte: der Schöpfer ist nicht mehr der Ausbeuter Raub,
die moderne Kultur weiß, endlich, daß seine Gaben die kostbarsten
sind unter allen der Welt. Ieder Schöpfer hat nun seinen Lohn!
Schützt seine Arbeit, immer mehr!" Bildet das Nrheberrecht immer
weiter aus: „an seinem Arheberrecht wird man ermessen, wie hoch
die Geisteskuliur eines Landes steht". „Damit eure Großen im Geiste
endlich vom Volke die Dankesschuld erhalten für das Anschätzbare,
das sie uns geben!" — Auf der ganzen illustren Versammlung kein
einziger, der sragte: ist keine gerechtere, keine sittlichere Entlohnung
geistiger Arbeit denkbar, als die nach dem Tages-Marktwert? Keiner,
der fragte: seid ihr auch dessen gewiß, was ihr frischweg voraus-
setzt: daß die Nrheberrechte vor allem den Arhebern dienen und
nicht ihren Ausnutzern? Keiner, der fragte: verteuern wir nicht das
geistige Nährkorn dem Volk, um Zwischenhändlern den Profit zu
erhöhen? Keiner, der fragte: lenken wir durch solches Glorifizieren
eines rein kaufmännischen Gesetzes das Bewußtsein des Volkes nicht
gerade a b von den eigentlichen Aufgaben: den Schöpfern das freiest-
möglichc Schaffen, dem Volke das freiestmögliche Verarbeiten ge-
diegenen Geistesgutes zu sichern?

Zweites Bild. Eine Anzahl ehrlicher Männer haben sich zu-
sammengetan, um auch lebender Dichter Werke ins Volk zu

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