Und Einhart hatte ein solches Rätselleben noch niemals angesehen.
So gebunden und bleich und die Röte der Todnacht auf den Wangen
erglühend, und der Mund noch feucht und voll Liebe, und so fein
und leise alles erhörcnd ihr klcines, blutloses Ohr.
„Heuny," sagte Einhart manchmal, „was träumtest du eben in die
Eichenlrone über dir und den hellen Himmel?"
Dann erzählte sie ihm wohl einmal einen flüchtigen Traum.
Oder sie lächelte ohne Ton.
„Was ich träumte, werde ich Ihnen nicht sagen", sagte sie dann.
Da sagte sie es ihm lange nicht, so oft er kam.
Aber eines Tages begann sie auch selber zu erzählen.
„Ich träumte," sagte sie versunken, „ich läge wie ein feincr Sommer-
nebel über meinem Bette ausgebreitet, und mir war nichts mehr schwer.
Ich konnte sein, wo ich wollte, obcn, und unten, unter den Blumen,
oder in den Baumwipfeln, alles war nur rein ein seliges, freies Dasein."
And eines Tages auch kam Einhart, wollte es wieder von ihr wissen,
weil Hennys Gesicht etwas von Schönheit und Verklärung hatte, wie er
es so noch nie gesehen. Da drang er in sie und sah, daß ihr gleich
eine schwache Blutwelle ins Schläfenweiß aufschoß und ihr Gesicht in
Purpurglut legte uud ihren Atem fast erdrückte. Und er mußte sie
ewig quälen. Er bat. Er nahm ihre weiße, sanfte Hand in die seinc,
und sah sie mit bittenden Augen lange an, fragte und bat wieder.
Da begann sie zittcrnd und flüstcrnd und zögernd noch immer endlich
doch zu sprechen.
„Einmal im Himmel", sagte sie.
„Was?-was?-weitcr!"
„Einmal im Himmel wcrde ich", kicherte sie leise.
„Einmal im Himmel — — werde - — ich — — dich."
„Werde ich dich?" sagte Einhart wiedcrholend, aber jeht in Einfalt
lächelnd.
„Werde ich dich küsscn", sagte Hennh hastig. „Denn hier auf Erden
bin ich nur ein elendcr Mensch, zu bleich und zu schwach und zu
krank, und arm und ein Nichts! — — — Aber im Himmel", sagte
sie dann fest und arglos froh, „ist besser lcben."
Und Einhart fühlte es, daß ihre Seele der seincn sehr nahekam,
fast wie wenu sie als Windeshauch seine Wange strich. And man
tonnte in Einharts Auge sehen, daß er henny mit einer unbegreiflichen
Frage ansah, in der Trauer und Staunen und reiner Glanz der Liebe
von ferne gingen und nicht Halt fanden.
Oh, es giugen noch immer nicht dic Glutfarben aus Hcnnh. Immer
neu mußte sie schüchtern Glück und Lachen ganz leise überwinden.
lsl
Im Moore feierte man eiu Volksfest. Es waren helle Zelte gcbaut
nahe einem Kiefernhügel, der gegen den blauen Äthergrund der weiten
Nacht ragte. And der erstrahlende, irrlichtelierende Freudentaumcl der
Karussells schwaug sich unter dröhnender Musik um. Die Lampcn und
Lichter glitzcrten in bunten Scheinen und schwirrten vorüber inmitten
der dräugenden Menge erhciterter junger Gcsichter. Alt und jung
strömte um Wurst- und Kuchenbuden und hin in das von grüueu Rcisern
durchduftete Zelt, worin die jungen Paare tanztcn. Leute aus den
2. Ottoberheft ssM sOY
So gebunden und bleich und die Röte der Todnacht auf den Wangen
erglühend, und der Mund noch feucht und voll Liebe, und so fein
und leise alles erhörcnd ihr klcines, blutloses Ohr.
„Heuny," sagte Einhart manchmal, „was träumtest du eben in die
Eichenlrone über dir und den hellen Himmel?"
Dann erzählte sie ihm wohl einmal einen flüchtigen Traum.
Oder sie lächelte ohne Ton.
„Was ich träumte, werde ich Ihnen nicht sagen", sagte sie dann.
Da sagte sie es ihm lange nicht, so oft er kam.
Aber eines Tages begann sie auch selber zu erzählen.
„Ich träumte," sagte sie versunken, „ich läge wie ein feincr Sommer-
nebel über meinem Bette ausgebreitet, und mir war nichts mehr schwer.
Ich konnte sein, wo ich wollte, obcn, und unten, unter den Blumen,
oder in den Baumwipfeln, alles war nur rein ein seliges, freies Dasein."
And eines Tages auch kam Einhart, wollte es wieder von ihr wissen,
weil Hennys Gesicht etwas von Schönheit und Verklärung hatte, wie er
es so noch nie gesehen. Da drang er in sie und sah, daß ihr gleich
eine schwache Blutwelle ins Schläfenweiß aufschoß und ihr Gesicht in
Purpurglut legte uud ihren Atem fast erdrückte. Und er mußte sie
ewig quälen. Er bat. Er nahm ihre weiße, sanfte Hand in die seinc,
und sah sie mit bittenden Augen lange an, fragte und bat wieder.
Da begann sie zittcrnd und flüstcrnd und zögernd noch immer endlich
doch zu sprechen.
„Einmal im Himmel", sagte sie.
„Was?-was?-weitcr!"
„Einmal im Himmel wcrde ich", kicherte sie leise.
„Einmal im Himmel — — werde - — ich — — dich."
„Werde ich dich?" sagte Einhart wiedcrholend, aber jeht in Einfalt
lächelnd.
„Werde ich dich küsscn", sagte Hennh hastig. „Denn hier auf Erden
bin ich nur ein elendcr Mensch, zu bleich und zu schwach und zu
krank, und arm und ein Nichts! — — — Aber im Himmel", sagte
sie dann fest und arglos froh, „ist besser lcben."
Und Einhart fühlte es, daß ihre Seele der seincn sehr nahekam,
fast wie wenu sie als Windeshauch seine Wange strich. And man
tonnte in Einharts Auge sehen, daß er henny mit einer unbegreiflichen
Frage ansah, in der Trauer und Staunen und reiner Glanz der Liebe
von ferne gingen und nicht Halt fanden.
Oh, es giugen noch immer nicht dic Glutfarben aus Hcnnh. Immer
neu mußte sie schüchtern Glück und Lachen ganz leise überwinden.
lsl
Im Moore feierte man eiu Volksfest. Es waren helle Zelte gcbaut
nahe einem Kiefernhügel, der gegen den blauen Äthergrund der weiten
Nacht ragte. And der erstrahlende, irrlichtelierende Freudentaumcl der
Karussells schwaug sich unter dröhnender Musik um. Die Lampcn und
Lichter glitzcrten in bunten Scheinen und schwirrten vorüber inmitten
der dräugenden Menge erhciterter junger Gcsichter. Alt und jung
strömte um Wurst- und Kuchenbuden und hin in das von grüueu Rcisern
durchduftete Zelt, worin die jungen Paare tanztcn. Leute aus den
2. Ottoberheft ssM sOY