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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

DOI Heft:
Heft 7 (Aprilheft 1927)
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Gregori, Ferdinand: Goethe und das Theater
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0036

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„lakeimscher" Regisseur auf eiuen Vollbluk-Darsteller stößk. 'lud Karoline
stand doch fast 20 Iahre lang unker und neben ihm!

TroHdem wäre es körichk, in ihr das zu sehen, was Goekhe am kheakralischen
Ausmaße eines Friedrich Ludwig Schröder oder Issland sehlke. Wenn es
auch aus ihrem Munde bedenksam klingk, den Gesang (sie war ja vor allem
Sängerin, wenigstens im Anfange Lhrer Laufbahn) als „erhöhke Sprache"
zu pflegen; wenn sie anch Schillers persönlichen Beifall fand (er hakke ihr
zuliebe sogar seiner Thekla ein Lied beigegeben) und sowohl Königin Elisabekh,
als auch Maria Skuark sein durfke, weil sie in beiden Rollen mehr gab als die
weimarische Parknerin; wenn sie auch Goekhes aus dem Jsflandschen Gast-
spiele gezogene Feststellung, der Schauspieler müsse seme PersönlichkeiL ver-
leugnen und seine Jnbividualikäk nnkenntlich machen, in bescheidener Form
als „nichk ganz schauspielerisch gedachk" korrigierke, indem sie die Verstellung
durch Maske und Kostüm ins Gebiek des Äußerlichen verwies, im übrigen
aber die Persönlichkeik des Schanschielers sein einziges Makerial nannke, das
immer gegenwärkig sein müsse; wenn sie schließlich gegen Goekhe den Theaker-
leiker (als Dichker dachke er ja, vielleichk auch „ohne es selber zu wissen",
ganz anders!) Naknrstudium nnd Phankasie auch für den Schauspieler in
Anspruch nahm: so war sie doch weder als Direkkorin eine Caroline Neuber,
noch als Darstellerin einer Sophie Schröder. Sie hak den deukschen Thespiskar-
ren nichk mik schöpserischer Krafk vorwärksgestoßen und dichterischen Gestalken
keine schauspielerische Gluk eingehauchk. Immer hak ihr ekwas Akademisches, das
der Pose nahekam, angehafkek, die lehke forkreißende Gewalk gefehlt.

Wenn wir Goekhes Theakerleikung heuke mik Hilfe dieser Jagemann-Enk-
hüllungen von einigen fchwärmerischen Legenden befreien, wächft doch das, was
er fürs Theaker geleiftek hak, nur um so gewalkiger empor. Er ging nichk mik
der Handwerkerfaust an das Theaker heran, das er doch, wenigstens sein wei-
marisches, als eine WerkstakL ansah, soüdern „piano", wie er es nannke; er
hakke eigenklich keine Leidenschafk, kaum Lust und Liebe dasür, die „Fikkiche
zu großen Taken"; zeigke sich nichk allzuhäufig auf den Proben und half
mik einem vagen „man mache das so" dcn Schauspielern ebensowenig, wie
er mik seinen Theorien im „Wilhelm Meister" der Praris häkke helfen kön-
nen. TroHdem war seine menschliche nnd dichkerische Aukorikäk so groß, daß
sie sogar auf das Theaker überstrahlke, das damals nichk gerade auf dichkeri-
fchen Fundamenken stand und dessen Darsteller eine rechk grobe seelische Skruk-
tur zeigken, wenn sie es anch nichk zugeben wollken. Selbst der menschenfreund-
liche Schiller bekam das „Schauspielervolk" bald sakk, und Goekhe, dem
fchließlich andere Dinge im Herzen saßen, mag ofk bei den läppischen Skrei-
kigkeiken fast aus der Hauk gefahren sein und nahm dann, um sich nichk unnökig
aufzuregen, die väkerliche oder geheimräkliche Maske vors Gesicht. llnd dennoch,
wiederhole ich, hak er das arme weimarifche Theaker zu einer Schule gemachk,
die gleichwerkig der reicher befruchkeken hamburgischen gegenüberstand und bis
auf den heukigen Tag ein Feldgeschrei geblieben ist; zwischen Nakurnähe und
Nakurferne fchwingk das kunstgeschichkliche Pendel innner hin und her, und
Goekhes Arbeik am Theaker enkschied sich bestimmk für die Naknrfcrne, weil
seine ungenralen Schauspieler die Nakur nichk in eine gefällige Form zu bäu-
digen wußken. Das arkeke nakürlich dann und wann in hohle Deklamakion und

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