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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

DOI Heft:
Heft 8 (Maiheft 1927)
DOI Artikel:
Gerathewohl, Fritz: Über Wesen und Aufgabe des Rundfunks
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0119

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59 Senbespiele, 5z Opern und Operetten geboken! IsL einem kein Anlaß ge-
gcben, aus diese EnLwicklung des Rundfunks sLolz zu sein, und dars man nichL
annehmen, daß man, unLerstüHL von einer Technik, die besLändig die Ausnahme-
apparaLur verbessert und verbilligL, in wenigen Iahren seinen Einfluß aus
5 Millionen und mehr ersLrecken wird?

-X-

Drei Millionen Hörer — neunLauseno KünsLler — über tausend VorLräge:
Triumph der Zahl! Nein, Fluch der Zahl, so rusen unsere Freunde aus,
Fluch eines amerikanisierten ZivilisaLionsgeisLes, einer RekordsuchL und einer
ÜberschäHung der Masse! Was isL dieser Rundsunk anderes, denn die leHLe
AusgeburL einer in ihrem WerLe maßlos überschäHten Technik! Er bieLek, ein
Zwillingsbruder des SchalltrichLers, die Technisierung der KunsL, die Gleich-
macherei und Nvrmalisierung des Geschmacks und wird zum Totengräber des
einzig wahren künstlerischen Erlebens, das vom Gebenden wie vom Empsangcn-
den leHLe Hingabe, Weihe und AndachL sordert. Edle M usik und künstlerisch
geformtes Wort, bisher von den Ausnahmewilligen zu Stunden sestlicher
Stimmung in AndachL und Demut genossen, ausgegeben von Menschen, deren
Seele wie Körper im Wesen des Werkes besangen waren und sich miL dem
Werke gleicherweise und untrennbar den Hörern miLLeilLen — Musik und
WorL siud zu billiger Scheidemünze geworden, die sich Krethi und Plethi zu be-
liebiger SchwaHenszeit aufdrängk, nüchternem AllLag paLhetischen Tand an-
hängL oder schlemmenden Faulpelzen den Gaumen kiHelt, ohne sie zu bemüßigen,
Schlasrock und Pantosseln mi'L dem Gewand des Konzertbesuchers zu ver-
Lauschen.

Edle Musik und KünsLlerwork im Nundsunk, von der Technik ihres LiefsLen
WerLes, ihrer Wärme und Farbe beraubt, sühren, so klingen die Einwürfe
fort, zu Stumpfsinn oder ÜberheblichkeiL, nehmen dem liebenswürdig-fleißigen
DileLLanLen LusL und Stimmung zu eigener, sür ihn wertvoller, wenn auch
noch so bescheidener ArbeiL und bringen dem PhilisLer die Meinung bei, gut
genug seien MozarL und Beethoven zum Männertarock und WeiberLraLsch
über eine Stunde hin auszuspielen!

TriLt man nach diesen Ausrusen als einer der drei Millionen Hörer dem Radio-
seind mit dem Hinweis aus den Wert des Rundfunks sür die Volksbil-
dung entgegen — als NlachrichtenvermikLler und Verbreiter billiger
IlnLerhalLungsware, wobei er einmal nicht ohne verächtliches Lippen-
zucken von Börsenkursen, das andere Mal von Kasseehausmusik spricht, läßt er
ihn gelten — so hat unser Einwender zur AntworL, daß man vielerorks mit
tansend Vorträgen im Iahre kaum eineu Hund hinterm Ofen hervorzulocken
vermöchte, oder aber, wofern man LaLsächlich aus Zuspruch stieße, sich zu einer
Vcrdünnung und Verseichtung seines Stosses verstanden habe, mit der weder
der WissenschasL noch der Bolksbildung der geringste DiensL erwiesen sei;
wen man erzöge, sei hier ein Hans Damps in allen Gassen, dort ein
Neunmalweiser und am driLLen HörapparaL einer, den der Lärm des Senders

von seinen Büchern vertrieb. ^

*

Selbst von den besten Freunden des Rundsunks, die wir wohl unter seinen
DirekLoren und InLendanten zu sinden haben, gibt gelegenklich einer zu, daß sein

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