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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

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Heft 8 (Maiheft 1927)
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Tribüne
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0136

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haft volkstümlich zu rverden. Der lebende Autor würde nichts gewinnen, denn das
Publikum der Neuörucke ist ein ganz anderes als dasjenige, das die neuesten Schöp-
sungen ausnimmt. Der verstorbene Autor aber würde weitere zwanzig Jahre aus
die Nachwirkung seines Schassens warten müssen und den Zusammenhang mit der
Nation noch mehr verlieren als bisher.

Wir glauben, daß weder der geltende Urheberschutz moch der verlängerte von sünszig
Jahren einen gerechten Ausgleich der widerstreitenden Rechte bringen kann. Vor allem
glauben wir nicht, daß durch die Erweiterung der Schutzfrist zugunsten öer Ur-
heber, ihrer Erben oder Verleger ein Rechtszustand einträte, der die unleugbaren
Härten des bestehenden Zustandes wesentlich ändern würde.

Wenn der Staat nach dreißig sjjahren ein unbeschränktes Erbrecht der Nation an
geistigen Gütern schasst und gesetzlich anerkennt, so muß er, als Dertreter der natio-
nalen Gesamtheit, dieses Erbrecht zuerst erwerben. Er muß zum mindesten eine
EntschädigungSpslicht anerkennen.

Wer soll diese Entschädigung zahlen, und wer >soll sie erhalten? Der heutige
Staat in seiner bedrängten Wirtschastslage wird nicht geneigt sein, Lasten zu über-
nehmen, sür die er keine Deckung hat. Das Reich beschneidet seine Kulturausgaben,
wo es irgend kann, und die Länder tun dasselbe. Die Entschädigung müßte ,also
auS der wirtschastlichen Verwertung der nationalen Geistesgüter selbst genommen
werden, nnd der Staat würde nur die Tätigkeit des Treuhänders übernehmen
und den Eingang wie die Verteilung überwachen. Die Berwertung durch Neudruck,
Aussührnng, Wiedergaben nsw. bliebe wie bisher nach Ablaus von dreißig Jahrcn
Schutzfrist dem freien Wettbewerb überlassen, aber gegen eine Entschädigung in jedem
einzelncn Falle.

Also einc Verkeuerung des Verbrauchs? Eine Besteuerung der Bildungsmittel, der
Bildungsarbeit? Eine Belastung gerade derjenigen Volksschichten, die ohnehin nichts
übrig haben? Jch weiß wohl, daß das ein abschreckender Gedanke ist, aber bei
näherer Betrachtung verliert er seine Schrecken. Würde eine Verteuerung der unge-
zählten Neudrucke um zehn, oder auch nur um süns vom Hundert die Verbreitung
sehr behindern? Würde der Besuch eineS Dramas, einer Oper, eineS Konzertes alter
Meister nachlassen, weil in die Unkosten des Abends vielleicht go.— Mark Aussüh-
rungsentschädigung eingerechnet sind? Unsere städtische Finanzpolitik geht bei ihren
Luxussteuern auf künstlerische Darbietungen denn doch noch ganz anderS ins Zeug.
Wer soll die Entschädigung erhalten? Die Leibeserben bis — hier ließe sich
die seitens der wirtschastlichen Verbände von Autoren usw. geforderte Fristverlän-
gerung rechtfertigen — sünszig Jahre nach dem Tode des Urhebers. Nach dieser
Zeit aber, und in allen Fällen, wo keine direkten Nachkommen zu versorgen sind/
würden die einkommenden Steuersummen als „U rheberschatz" zur UnterstüHnng
lebender Dichter, Musiker und Künstler, zur Förderung schöpserischer Talente, zur
Verbilligung und Derbreitung ihrer Werke dienen.

Damit hätten wir die Umkehrung des Satzes erreicht: nicht mehr die Toten schlügen
die Lebenden tot, sondern sie leisteten auch materiell, was sie mit ihrer geistigen Hin-
terlassenschast schon ideell leisten: sie hülfen den Lebenden zur Unabhängigkeit von
materiellen Erwägungen, sie unterstützten in manchen Fällen das ringende Talent
in der Besreiung von der Tagesfron und lockerten damit erst die Keime für ein gei-
sti'ges Schöpfertum, das ohne diese Hilse vielfach verkümmern muß.

Der Urheberschatz ist ebenso wie die „Goethestiftung" eine alte Lieblingsidee von
Ferdinand Avenarius. Es ist im Grunde ein und dieselbe Jdee, und deshall
stellen wir sie auch heute im Anschluß an eine Anregung des Grafen Keyserling (vgl.
„Ein Peterspsennig" usw.) erneut zur Erörterung. Soweit die bisherigen Äußerun-
gen zur Neuregelung der Schutzfrist sich zu praktischen Dorschlägen verdichtet haben,
vermögen wir keine Jdee sestzustellen, die daS Recht dcs Urhebers mit dem Recht

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