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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

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Heft 8 (Maiheft 1927)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0160

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schlagene Formweise. Etwas Zusammen-
genommenes und sich Zusammennehmen-
öes ist öer erste Haupteinöruck; er wur-
zelt im Zusammenschieben der Beine und
Schenkel, im engen Anlegen der über die
Brust gespreizten Arme, wodurch die
Wagrechte der augezogenen Schultern sich
energisch querspannt und der Oberkör-
per ein Empor gewinnt, das der Hals
sortsetzt; über ihm das horchend ergebene,
verschlossene Gesicht. Daraus steigt eine
strenge, kühle Gehaltenheit aus, etwas
Ehernes, das vom Erz her noch gestei-
gert wird. Es überkommt uns allmäh-
lich ei'n Gesühl von etwas der Erde Ent-
rücktem, mit dem die empsindsamen, aber
zu realisti'schen Hände, das edle, doch zu
sinnenhast gebildete Antlitz nicht ganz zu-
sammengehen; sie müßten ähnlich streng
wie die Körpersormen behandelt sein. Zu-
letzt will es uns scheinen, als ob diese
Gestalt, man getraut sie sich weder Frau,
noch Mädchen zu nennen, in ihrer an-
dachtersüllten Versenkung kaum spürbar
nach oben gezogen, gehoben, getragen
würde und sich diesem Empsinden über-
lasse. Das Langgestreckte ihres Leibes, das
Emporwachsen öer Glieder und Teile, der
säulenhaste Hals mit dem hingegebenen
Gesicht verdeutlichen diese weihevolle
Stimmung noch weiter. Jetzt erst wird sie
„Assunta", die Hinweg-, Hinaufgcnom-
mene, ein neues Sinnbilö der nach den
Sternen gewandtenSeele, ihrer Sehnsucht
und ihreS Vertrauens. Soicher Geist tilgt
alles Jrdische der Erscheinung; sie wird
ein „Gefäß der Andacht", wie eine kirch-
liche Litanei Nkaria nennt. Aber nicht
um diese, noch um eine andere Heilige
geht es, sondern um das Heili'ge reiner
Hingabe an die Welt der Geheimnisse,
die uusere Seele emporträgt in das
Ewige.

E m p o r st e i g e n d c. Bronze. 1926.
i,6o m. Dies Werk ist wie eine rei-
fere Nückkehr zur Art der „Tänzerin",
Kolbes lebendiger Natursinn lockt die
Fülle des Wirklichen mehr als der knappe
Neiz der strengen, sast asketischen Form der
„Assunta". Und doch wirkt sie weiter. Jch
sehe diese Ausstrahlung im Stimmungs-
gehalt gerade dieses Mädchens, das bei'
aller gesunden, frohen Sinnenhastigkeit
so edel, so rein, so blütcnhaft wirkt. Eine
erstaunliche Gelöstheit liegt über den
schlanken Gliedern; eine leichte, mühelose
Beweglichkeit ersüllt sie — wie eine vom
TLiud anmutig bewegte Pslanze steigt sie

empor. Die warme, sühlige Haut scheint
zu atmen, als würziger Duft sast emp-
sindbar — und doch hält sie sich von un-
mittelbarer Naturtreue ferne.

Das Motiv ist vortresslich und angenehm
auSgewogen, im Gegeneinander der Beine
und Arme, und, wie sich zwischen diesen
der Oberkörper entfaltet, interessant kvn-
trastiert. Die Energie der Kopshaltung,
die besonders in der rechten Äildansicht
den Aufbau wölbig abschließt und zugleich
gipfelt, ist auch für die Gesamthaltung be-
öeutsam. Letzten EndeS ersreuen unS die
Formen ganz unabhängig von ihrer sach-
lichen Bedeutung, nur um ihrer plasti-
schen Erscheinung willen, wegen ihrer har-
monischen Einigung mit dem Raum.
Zwei Kleinbronzen. lg2Z. Bewe-
wegungsstudien, über die ähnliches zu
sagen ist wie über die „Emporsteigende".
Was der Künstler aus dem menschlichen
Körper an BewegungSmöglichkeiten her-
ausholt und wie er durch sie den Körper
sormal interessant macht, als plastischeö
Gebilde veranschaulicht, daS ist hier daü
Entscheidende und Fesselnde. Frei von
aller erkünstelten Akrobatik imd barocken
Übersteigerung, sind diese Gestalten all-
seitig krastgeladen, haben sie etwas von
guter Sportsbetätigung und moderner
Körpergesinnung.

Jn der Biktoria (192^) ist das Eilige
der Flugbewegung ohne Uberstürzung keck
und sicher herausgestellt. AuSgezeichnet die
Verteilung der Massen, prachtvoll leben-
dig blitzt dieses plastische Ornament in
den Raum hinein. Und damit ist das Be-
grissliche oder Literarische des Vorwurss
aus eine bildhauerisch anschauliche Form
gebracht. Je mehr man sich in das Tempo
dieser Viktoria hineinsieht, desto mehr
wird sie in ihrer, alle Hindernisse über-
windenden Stoßkrast zur beslügelten Sie-
gesbotin.

SchreitendeS Mädchen. Brouze.
ig2Z. Man denkt zunächst nicht an eine
Schreitende, eher an eine zum Schritt
Ansetzende oder zögernd im Schritt Jnne-
haltende. Dazu paßt der ausschauende
Kops, dessen neigender Blick cin Ziel faßt.
Einen Augenblick scheinen die pendelnden
Arme ins Gleichgewicht gekommen, das
sie aber sosort wieder aufgeben. Ein Be-
wegungsmotiv ist hier eingefangen und
festgchalten, nachschwingend in der Fülle
der Rundungen, wie in den leichten und
leisen Drehungen der losen Formen. Man
beachte in solchem Sinn das Rund der

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