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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

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Heft 10 (Juliheft 1927)
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Umschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0300

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hallen werden soll. Eine evangelische,
runde Kuppellauskapelle von Ollo Barl-
ning leidel darau, daß daS eine Netz-
ornamenl gleich einem Prlnzlp zu Tode
geritten ist, so daß sich der Gläubige nicht
innerlich gesammell, sondern buchstäblich
gefesselt, zwangSmäßig eingeschlossen
fühlt. Solch ein Mißgrifs kann nur ge-
fchehen, weil der Plan lediglich auf dem
Papier seine Präexistenz hal. Eine ar-
chiteklonisch nicht sehr glückliche Kapelle,
schmal und spitzdachig, mil tief einge-
fchniltenen Fenstern hat Willy Jaeckel
mit einem landschaftlich zusammenhän-
genden Fresko der Leidensgeschichte ge-
schmückt, das wieder sein unglaubliches
Vermögen dartut, scelisch komplizierte
Ereignisse mit den geringsten Mit-
teln vollkommen ablesbar darzustel-
len. Man stelle sich vor: rechts in
einer sella curulis sitzend, dick und groß
in rotem Gewand, bückt sich Pilatus
zur Waschschüssel, die ihm ein weiß ge-
kleideter Diener vorhält. Jn der weiten,
leeren Halle dahinter wie ein bunter
Fasan ein römischer Soldak. Links vorn
äber, am Türpfosten, mit gefesselten
Händen in grauem, langen Gewand steht
regungslos Christus, den Blick schmerz-
lich nachdenkend zu Pilatus hinüber-
sendend. Solcher Dinge gibt es mehr.
Aber wcr weiß, ob diese Fresken zur
Ausführung gelangen?

Manches könnte man sich für die Kirche
wünschen: daS Altargemälde von Plontke,
mit seinem suggestiven Aufbau, die Mis-
sionsbilder von Sandkuhl und vieleS Ein-
zelgerät an Taufsteinen, Leuchtern.
Warum macht keine Kirche einmal einen
Versuch mit Erich Waske, der nun schon
seit Jahren im vergeblichen Kampf um
das Bild großen Stils ringt? Freilich,
der Versuch kann mißlingen; wer eine
Aäbeit bestellt, weiß nie vorher, wie sie
aussieht. Auch in altcr Zeit schüttelten
die Ältesten manchmal stirnrunzelnd die
weißen Häupter, wenn sie dem Meister
die Arbeit abnahmen. Aber Ruhm und
Ehre und Schmuck blieben doch der
Kirchc. Walther Unus

Müttchen als Klikiststadt —
anläßlich der Glaspalast-
Ausstellung —
ir haben im letzten Frühjahr an
der Debatte über den Niedergang
Münchens als Kunsistadt teilgenommen,
weil uns das nicht als lokaler, nicht

einmal als bayerischer, sondern deutscher
„Belang" gilt: München ist außerordcnt-
lich wichtig als Gegenpol zur neuen
Berliner Geistigkeit, als Künstler-Reser-
voir für den starken Bedarf der west-
deukschen Kunststädte, die sich vielfach
von hier ihre Kräfte holen, und als
stärkste Vertretung süddeutscher Kunst
gegenüber dem Norddeutschen überhaupt.
Die heurige GlaSpalastausstellung läßt
mit ihrer Eröffnungsrede und ihrem Er-
neuerungsversuch das ganze Problem
nochmals lebendig werden. Dabei han-
delt es sich um ein Doppeltes: München
als Stätte von Oualitätsleistungen und
als Führerin in der Künstentwicklung.
Was man in Berlin als „Atelierkunst"
und „dekorativ" in der Münchener
Kunst bezeichnet, erachten wir als einen
allgemeingültigen, hohen Kunstwert, als
den Willen und Weg zu künstlerischer
Reife, zur kunstlerischen Kultur. Diese
Vorzugsstellung wurde durch die Künst-
lerschaft selbst am meisten gefährdet, weil
sie allzulange in ihren Ausstellungen
die Oualität zu wenig pflegte. Sie ist
auch mit schuld, daß München die Füh-
rerschaft in der modernen Kunstentwick-
lung verlor. Der andere Grund dieses
Derlustes ist, daß mit dem Hinscheidcn
des Regenten die junge Kunst in Mün-
chen keinen offiziellen Halt mehr hat,
daß sie nur geduldet, aber nicht geför-
dert wird. Wir erhoffen von dem neuen
Kultusminister auf Grund seines Wor-
tes: „Die Aufgabe der staatlichen Kunst-
verwaltung kann im allgemeinen nur
darin bestehen, jeden ehrlich arbeitenden
Künstler und jede echte Kunst zu unter-
stützen, ohne Rücksicht auf Richtung und
Tagesmoden" hierin eine entschiedene
Wendung zum Besseren; nicht länger
dürfen die Künstlergenossenschaft und
Sezession, von denen die erstere längst
nicht mehr, die letztere nur noch teil-
weise in der heutigen Kunst führend
ist, die „Neue Sezession", die eine zwan-
zigjährige europäische Richtung vertritt,
majorisieren und sich als die szn-
haber des GlaSpalastes aufspiclen. Hier
muß durch das energifche Eingreifen
des Staates die künstlerifche Parität im
Sinne dcs Ministerwortes endlich her-
gestcllt werden. Man kann eine allge-
meine Entwicklung auf die Dauer nicht
künstlich zurückstauen, sie geht sonst eines
Tages als reißender Strom über das
Stauwerk hinweg. Der Regent war

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