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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

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Heft 10 (Juliheft 1927)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0321

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Es kann hier nicht untersucht roerden, ob
es der eigentlichen Ziele jener Blätter
würdig oder ihnen auch nur nützlich sei,
sich dieser Phrase zn bedienen. Wenn es
aber immer wieder geschieht, um vor-
züglich den Toten des letzten und aller
Kriege überhaupt den Eselstritt zu ver-
setzen und den llberlebenden durchblicken
zu lassen, daß es um das männliche Be-
stehen vor den ungeheuerlichen Prüsun-
gen eben des letzten Krieges weiter keine
große Sache gewesen sei, nämlich nichts
als „körperliches" Heldentum, so muß
sich dagegen wehren, gerade wer dem
Geiste dienen will.

Denn was ist es, das einen Menschen
sähig machen kann, gegen allen Ver-
stand, mehr noch, gegen sein eigenes
Blut und Fleisch das Aussichtslose zu
wagen, das Uncrträgliche zu erdulden,
dem gewissen Tode selbst nicht zu wei-
chen? Der Körper? Der Körper wird
immer einzig nach Erhaltung seiner selbst
trachten und schon der vorgestellten Ge-
sahr fliehen wie dem wirklichen Berder-
ben selbst; stellt er sich aber und kämpst,
so tut er es immer nur, um sich selber
durch- und davonzubringen. Er ist weder
tapfer noch seigc; er ist rüstig oder ge-
brechlich, gesund oder krank. Und wer
im Krieg war, der wird sich erinnern,
wie die Vierschrötigen durchaus nicht
immer auch die Tapseren waren, und
wie oft der Geist die Muskelgebirge be-
schämte. Geist: darunter verstehen wir
mehr als Verstand, nämlich das ganze
Herz des Menschen. Tapserkeit und
Feigheit sind Eigenschasten der Seele.
Und so wäre denn alles in Ordnung,
wenn man die ersten Uberfliegungen des
Ozeans seierte als das, was sie sind:
rühmliche Leistungen kühner Herzen.
Denn den bloßen Verstand wird man
schwerlich zu dem Entschluß bewegen, auf
tausend Tode gegen e i n Leben den Flug
zu wagen. Die technische Leistung aber,
wie die rein körperliche, so achtenswert
sie sind, können unmöglich die Begeisterung
zu solchen Ausbrüchen und Ausschreitun-
gen erhitzen, wie wir sie erlebk haben.
Oder am Ende doch? Bei uns in
Deutschland wenigstens scheint es so.
Denn das ist ja wohl das gleiche Volk,
das einem unglücklichen und geschlagenen,
aber wie keines vor ihm tapferen und
duldemutigen Heere den Gruß verwei-
gerte und das auch heute noch seinen
Toten den vollen Kranz auf die Gräber

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nicht gönnen mag. Die Gründe dafür
sind parteipolitischer Art. DaS erklärt,
abcr rechtfertigt nicht. Denn in diesem
Kriege sind Taken getan worden aus
einer solchen Seelenmächtigkeit heraus,
daß Jahrhunderte daran zu singen und
sagen hätten. Wir meinen damit keine
Feldherrnkünste und Husarenstücke, nicht
Namen und Personen, sondern den ein-
fachen Soldaten, schlichten Verstandes,
geringen Begreifens, dem in den meisten
Fällen die Jdeologie des Krieges He-
kuba sein mußte. Er hatte Schreckliche-
rem die Brust zu bieten als den Zufällen
Windes und Wettcrs und den Tücken
einer Maschine. Nicht einmal, sondern
kausendmal. Er hatte nichts zu gewin-
nen, auch für den Fall, daß er das
Leben davonbrachte; kein Gut und Geld,
nicht einmal Ehre, nicht cinmal Dank.
Unbedankt focht er, opferte, ging dahin.
Niemand mißgönnt den Meerfliegern
ihren Lorbeer. Aber wenn die gleichen
Leute einen tapferen Jungen, dem das
Glück hold war, in die Gestirne rücken
und vor hunderttausend Gräbern hun-
derttausend tapferer Jungen immer noch
sauer blicken und von „physischem Hc-
roi'Smus" schwatzen, so stimmt das bitter.
Oder sollte die „körperlicheTapferkeit" in-
zwischen so hoch im Kurse gestiegen sein?

Berichtigung

uf Seite 2vä des laufenden Jahr-
gangs haben wir uns mit den Ge-
fängniszuständen i'n Ostpreußen beschäf-
tigt. Schuld an dcn dort gerügten Miß-
ständen ist selbstverständlich nicht, wie
wir gern klarstellen, Ostpreußen und
seine Einwohner, sondern die Preußischc
Justizverwaltung in Berlin. Die Justiz-
behörden in Königsberg dringen im Ver-
ein mit der Stadtverwaltung seit einer
großen Reihe von Jahren auf Abände-
rung, habcn es aber jetzt erst errelcht,
daß wenigstens für die Bescitigung der
größken Mängel in Königsberg eine cnt-
sprechende Bausumme in den ncuen Etat
eingesetzt ist. Es bedarf aber weiterer
größerer Mittel, um in dem von den
Zentralstellen seit jeher arg vernachlässig-
ten Ostpreußen auch eine Besserung dcr
übrigen in jenem Artikel gerügten Miß-
stände herbeizuführen. Hosfen wir, daß
auch dieser Hinweis dazu beitragen wird,
daß endlich dem schwcr geprüften, vom
Mutterlandc abgeschnürten Ostpreußen
sein Necht wird.
 
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