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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

DOI Heft:
Heft 11 (Augustheft 1927)
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Grunsky, Karl: Über den musikalischen Rhythmus
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0338

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drittenmal weiter; auch das Speermotiv mik der abschließenden Wendung
erscheink dreimal, bis es zur Heilandsklage übergeht. Besonders für die Kunst
der Steigerung Lst dreimaliges AnseHen ein vielgebrauchtes Mittel, auch
bei Bruckner. Jm Naum entsprichL der ZweiLeilung das Mebeneinander oder
Gegenüber. Zur Dreiteilung der musikalischen SLeigerung bieteL jedoch die
bildende Kunst kaum ein Gegenspiel; es sei denn der Begrisf der Höhe.

Was nun das VerhälLnis jener zwei- oder dreikeilenden Anschauung zu den
musikalischen Tonfolgen angeht, so ist vor allem zu bedenken, daß die Be-
Lonungsregel keineswegs immer verwirklicht wird! Zwar nimmt Marsch-
und Tanzmusik einen beträchtlichen Teil aller musikalischen BeLätigung
für sich in Anspruch. Zweigeteilt marschiert es sich am besten. Man
hat auch gefunden, daß der Rhythmus ArbeiL spart, weil die regel-
mäßige Wiederkehr der Antriebe jede Mühe neuer Enkschlüsse erspart.
Der Tanz fügk zur Zwei auch die Drei (die in der Matur kaum vor-
gebildet ist); sein Schweben löst vom natürlichen Zwang. Doch so ofk
auch Marsch und Tanz die gewollte Betonung erklingen lassen, die Kunst-
musik weigert sich entschieden, ihr sklavisch zu folgen. Nvch klarer wird das
Ausweichen in den freien Formen, die mit der Freude am Schreiten, mit
der Lust am Tanzen wenig oder nichts zu Lun haben. Gerade an ihnen zcigt
sich der SachverhalL am deutlichsten. Rhythmus kommk nämlich dadurch
zustande, daß der geforderken Zwei- und DreiLeilung das einemal enksprochen,
das anderemal widersprochen wird. Ilm den Widerspruch als solchen wirken
zu lassen, muß die Bewegung irgendwo und irgendwie das gemeinte Maß
klarstellen: dann wird jede, ob kleine oder wcite Abweichung, durch den Ab-
stand vom Grundmaß gebncht. AllzuweiL darf sie sich nichk entfernen, weil
das vergessene Maß sonst das Einordnen der Eindrücke gefährdet.

Nur wenn man den innern RhyLhmus in sich LrägL, gewahrt man in zutref-
fender Weise die Erscheinnng der sogenannken Synkope, die dem Laien
SchwierigkeiL zu bereiten pflegk. Dies griechische Wort heißt: Zusammen-
stoß. Wenn wir als BetonungsgeseHe die beiden Folgen: betont --- nnbe-
LonL, und bekonk -- unbetont --- unbetont hinstcllen, so ergibt sich ein Zusani-
menstoß von Betonungen, sowie eine der unbetonten Stellen bekont wird.
Synkopisch wirkL aber ganz allgemein der Widerspruch gegen die BeLonungs-
reihe, also auch der Fall, wenn die betonte Stelle versagk. Herrliches hat
uns BeeLhoven mit eigenwilliger Synkopierung gegeben. Wie LroHig strebk
der Anfang des Floreßan-Motivs auf! Oder die berühmten Stellen in der
Durchführung des ersten SaHes der Eroica! Jm ersten Bande des neuen
Sandbergerschen BeeLhovenjahrbuchs findet man jene Durchführung klargelegt
von Alfred Lorenz, der für die mnsikalische Form neue Gesichtspunkte cnt-
deckk hak.

SeHt sich eine Synkopierung beharrlich weiter fork, so gehk sie in den Ein-
druck des gewechselken Taktes über. Manchmal kann man im Zweifel sein, vb
die Schreibweise richtig ift. Der Taktwechsel kann am Ork der Naht mög-
licherweise synkopisch wirken. Aber er ist grundsäHlich verschieden von der
Synkope, die das eingeleiLete Maß festhält, um es zu verneinen; der TakL-
wechsel ändert die Folge und bejaht das andere Neue. Hie und da mag die
Auffassung schwanken; auch beherrschen nicht alle Tonkünstler die Sachlagc

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