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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

DOI Heft:
Heft 11 (Augustheft 1927)
DOI Artikel:
Reisner, Erwin: Protestantische Religiosität und philosophische Erkenntnis
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0346

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Anspruch auskriLL, absoluL gülLige WerLe zu begründen, abgelehnL, ja ofL sogar
jeder Versuch überharrpL, die WelL, das Leben und vor allem die GeschichLe
philosophisch zn deuken.

Davon aber soll ersl späLer die Rede sein. ZunächsL werden wir den Lheo-
logischen SLandpunkL der erwähnLen Denker in den allgemeinsten llm-
rissen herauszuarbeiLen haben. Daß alles, was man heuLe Religion nennk,
direkk nichL einmal miL dem Glauben ekwas zu Lun haL, dürfke das wesenklichste
PostulaL sein. Glaube kann nämlich enkweder — und nur in diesem Fall
kommL ihm dieser Nüme streng rechkmäßig zu — ein positives Durchdrungen-
sein von GoLL bzw. von der Ossenbarung GoLLes in Christo bedeuken oder aber
ein bloß negakives HingeschmeLterLsein von dem sinnlich wie verstandesmäßig
ewig Unsaßbaren, dem allem Gegebenen und Erfahrenen schlechkhin EnLgegen-
gesehken, dem „ganz und gar Anderen", wie der immer wiederkehrende Aus-
druck laukek. Nur im zweiken Fall erscheink der Glaubensakk, der LaLsäch-
lich niemals erlebke GlaubensakL als das ungeheure „Wagnis",
als der Lollkühne Sprung hinaus aus derRealikäk, als die aristoLelische^rneta-
basiseisallox^enos^, in die „absoluke Leere" (Thurneysen), aus den „Boden,
der kein Boden mehr ist" (GogarLen), als die „unmögliche MöglichkciL"
(Karl Barth). Die Forderung, zu glauben ist die — symbolisch zu verstehende
— Ausforderung Christi an den reichen Züngling, hinzugehen und seine GüLer
zu verschenken, alles, aber auch wirklich alles ohne den mindesten Borbehalk
einem gänzlich Ungewissen zu opsern. — Wem ekwa, wie Emil Brunner, zur
Kennzeichnung des Glaubens der Ausdruck „reine SachlichkeiL" angebrachk
erscheint, der weiß selbst eingestandenermaßen nichks mehr von der elemen-
taren Krast des posikwen und lebendigen Glaubens, der beschränkk sich einsach
auf die Lrockene Anerkennung dessen, an das wahrhafk zu glauben ihm jede
MöglichkeiL und FähigkeiL abgehk. GoLL ist hier nur noch der absoluke dialek-
Lische GegensaH des Menschlichen, auch wenn behaupket wird, er stehe außer-
halb jedweder Dialektik.

Der negakive und das heißt der kypisch proteßanLische Glaube iß die
Glaubenssorm des Sterbenden, wie sie sich in den leHken Worken des Erlösers
am Kreuz: „Mein GoLL, mein GoLt, warum hast du mich verlassen!" aus-
sprichk. Täuschen wir uns nicht: der heutige ProLejtank und vielleichL der
ProLestant überhaupt ijt gar kein gläubiger Christ im eigenklichen WorLsinn,
sondern bestensalls nnr ein über seine heillose GlaubenslosigkeiL ehrlich Zer-
knirschter. „Er ist kein Glaubender, sondern hak nur das dem Glauben Vor-
angehende, die Verzweislung, und in ihr ein brennendes Verlangen nach dem
Religiösen" (Kierkegaard). Für ihn hat GoLL „keinen Platz in der Welk,
solange der Mensch sich nicht ganz vernichkeL" (Gogarten).

Es ist nur selbjtverständlich, daß von diesem radikal negakiven Glaubens-
standpunkL aus jeder Versuch des Menschen, von sich aus m'chL nur zu Gotk,
sondern überhaupk zu riner posikiven WahrheiL vorzudringen, schross abgelehnt
werden muß. Und sreilich wird es sich auch gar niemals darum handeln
können — wenn man nämlich mit der grundsählichen Andersartigkei'L des GöLL-
lichen nichk in KonslikL kommen will —, etwa die Osfenbarung philosophisch
zu beweisen. TroHdem aber geht es unserer Meinung nach doch nichk an, die
Glaubcnswahrheit dem verstandesmäßig bearbeiteken, empirischen Welkbild

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