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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

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Heft 12 (Septemberheft 1927)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0445

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Versiocktheik gegenüber ihrem Willen auch durchgeseHL. Allein Cordula cni-
gegneLe ihr miL so wohlgefügLen und unbäuerischen Worten, nämlich als
Lrüge sie ein GcdichL oder eine Skelle aus einem Liebessiück vor, daß sie sich am
Ende nichL weigern konnte. Denn sie haLLe das Leben nicht außer in ihrer TochLer,
und ihr feinredcndes, schöngebärdigesWesen erfüllte sie mik geheimerWonne,daß
sie ofk unker schwimmenden Augen lächelnd am Fenster saß und lauschke, wie sie
draußen im Garken mik Sträuchern und Zaunpsählen Zwiesprache hatke oder,
einen Zweig in Händen schwingend, über die Bleiche schriLL und Lanzte.

Jn jener Zeit begann Cordula zu fasien und sieckke ihr MorgenbroL heimlich
den Hunden zu. 2luch besiimmke sie von ihren Kleidern das dürfLigsie zu Läg-
lichem Gebrauch und ging barhäupkig einher. OfL knisierten in der Frühe die
Psühen aus dem Weg schon von schwarzem Eis und der Wind roch nach
Schnee und biß ihr in die Wangen und Glieder, aber es galk ihr nichks, Un-
sägliches warkeke ihrer. Kam sie nämlich in die Kirche, so LraL sie mik ge-
schlossenen Augen zu ihrem PlaH bei jener Kapelle und kniete nieder, und es
ward ihr, als lüske das Herz Flügel in ihrer Brusi und schwinge sich auf,
davon ihr der Akem verging. Denn jehk, die Skirne hebend und seikwärks
blickend, sch sie Jesus Chrisi, nicht im Gleichnis, sondern leibhaskig, dessen
Brusi sich regke und der mi'L Augen hersah, wie im Hofe des Landpflegers
dercinsi, jeHL herabgefahren vom Himmel und im Winkel dort niedergesessen,
nach den Seinen, nach ihr zu sehen. Und zugleich durchfuhr sie ein unge-
heurer Schlag, es schwoll Grausen und Wonne durch ihr BluL in ihren Leib
und alle ihrc Glieder, Fcuer und Frosi über ihre HauL jagend, und sie vermeinke,
ihr Haar siünde auf und brenne lichLerloh, jedes eine miL einer weißen Flam-
menzunge. „Bisi du wieder da, Seligmacher?" siammelte sie und anLworteke
sich: „Dork sihesi du, wahrhafkiglich, Amen!". Danach kniete fie unbcweglich,
während die Gemeinde dem Priesier AnLworL gab und die Qrgel erscholl, kaub
und blind und fühlke nur vom ScheiLel her und Händen und Füßen das BluL
in ihr Herz zurückkehren, mi'L langsamem Schlag, wie Rollen und Fallen von
großen Tropfen. llnd zugleich, wußte sie, geschah die Verwandlung, ersiarrte
der Akmeude und Blickende im schwarzen ManLel zum unbewegken Bild.
Wenn dann die Kirche leer geworden war und bei wenigem LichL weit vorn
am Alkar nur noch der Mesner sein Wesen haLLe, so erhob sie sich zur Be-
LrachLung. Dann siieg sie wohl über das niedere GiLLer, nahe zu sein und Zug
für Zng sich einzuprägen, den Fall sciner Locken, und die Tropfen Blukes
auf der Skirn, wie er lächelke und wie er die Hände hielk; und sie neigke sich
und seufzke LiebesworLe oder LraL hin, an den SammeL feines Mankels zu
rühren und den Geruch von Myrrhen und GrabeslufL einzuzl'ehen, der darin
war. Endlich ging sie davon und gedachke noch unker der Türe, wie es morgcn
sein würde, den Lebcndigen wieder zu erblicken, und wagte nichk umzusehen.

An SonnLagen aber nach dem HochamL lief sie im dünnen schwarzen Kleid,
wciße wollene Skrümpfe an den Füßen, über die Anger und FluLwiesen am
Rhein und suchte, was das späke Fahr noch bieken mochke an HerbsizciLloseu
und gelben Dijkeln, die sie mit nackken Händen pflückte und zu Kränzen wand.
Damals hielten die Bauern sie für nicht rechk bei Trosle, und die Kinder
wichen vor ihr, wenn sie dort im braunen Grase stand und mit großen Ge-
bärden ein vcrächkliches Gewächs an die Brust hob oder halb redend und
 
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