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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

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Heft 12 (Septemberheft 1927)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0451

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er nicht müde wird. Er liebt das Traum-
artige dieser Dünen so sehr, daß er sich
gerade m solchen Bildern nicht enischlie-
ßen kann, menschliche Fignren oder an-
dere, die Orientierung erleichternde Grö-
ßenmaßstäbe anzubringen. Ob diese Dü-
nen aber nun erstarrte Meereswellen
sind oder hochgebirgswilde Formationen,
gespenstische Mondkrater oder japanisch-
zarte Hügel —- man spürt in der Ge-
staltung die echt westfälische Gründlich-
keit deS NaturstudiumS.

Jn der Münchner Studienzeit (er war
Meisterschüler Karl Caspars) rückt das
Hochgebirge in den Blickkreis dieses Nie-
derdeutschen. Es ist interessant zu be-
obachten, was nun geschieht. Das Hoch-
gebirge ist dem Ebene-Menschen das
Ungemäße. Er verleibt es sich spielend
ein, bringt Gebirge und Meer gleichsam
auf einen romantischen Grundnenner:
Erdlebenkunst erwächst. So duftigund
traumhaft auch die Farben sind, so un-
nahbar droht daS Gebirge nieder, kein
menschlicher Schauplatz, sondern gewal-
tiger Fels-Altar, von der Erde selbst den
Göttern erbaut. Wie andere Maler
machte auch Döhmann seine Jtalienreise.
2lbcr es ist für die Möglichkeiten seincr
Kunst bezeichnend, daß ihn die üppige
Fülle des Südcns eher betäubte als be-
fruchtete. Erst in Sizilicn lebte er wieder
auf; hier fand er Anklänge an seine
Welt: Meer und sandigen Strand, Sil-
berduft und herbe Unberührtheit. Diese
seine Welt ist typisch deutsch, wie die
Art seines Schaffens typisch westfälisch
ist. Die Liebe zu seiner engeren Heimat
aber, zu der rußigen und durchwühlten
Landschaft samt den zu ihr verurteilten
Arbeitsmenschen, ist um so tiefer, weil
sie schmerzlich ist.

Sind scine Bilder modern? Sind sie alt-
modisch? Sie sind lebendig und echt.
Und im Bewußtsein, die erweiterten
Möglichkeiten der modernen Farbigkeit
zu beherrschen, wie sie van Gogh und
Munch erschlossen haben — im Bewußt-
sein, innerlich den Anschluß zu haben
an die Tradition der seelenvollsten deut-
schen Malerei der Romantik, würde er
sich von der Bezeichnung „altmodisch"
nicht getadelt fühlen.

Welche Möglichkeiten noch in dem Dier-
unddreißigjährigen licgen, zeigt ein mo-
numentales Wandbild in Bochum. Den
Bedingungen des gegebenen Raumes gut
cingepaßt, scheint dies Bild anfangs nur

ein wundervolles Spiel der Farbklänge
von Braunrot, Gelbgrün, Blaugrün nnd
Silbergrau zu sein; je tiefer man sich
aber hineinsieht, um so mehr wird der
organische Aufbau verschiedener Ele-
mente deutscher Landschaft zum Erleb-
nis. Da ist nichts gesucht und konstruiert.
Eine blühende Phantasie hat eine gestei-
gerte, also poetische Wirklichkeit geschaf-
fen, eine Landschaft von Jean Paulscher
Pathetik und Weite, oder — und damit
wären wir auf einen der frühesten künst-
lerischen Ahnen Döhmanns gestoßen —
eine altdorferische Landschaft.

Wir müssen es uns versagen, auf das feinr
Menschenkennertum sei'ner Porträtkunst
näher einzugehen. Man kann sich den-
ken, daß diesen Maler der beseelten
Landschaft, deg in Wellen, Wolken, Ber-
gen, Wipfeln, Dünen und weiten Wie-
sen pulsenden planetarischen Lebens auch
am Menschenantlitz nur die Rune des
Seelischen interessiert. Aber unsere Skizze
vom Werke dieses Malers wäre allzn
unvollständig ohne Hinzuziehung sciner
Aquarelle, in denen seine Kunst sich am
subtilsten, melodischsten auödrückt. Durch-
aus nicht etwa „Dorstudien", bean-
spruchen sie ihr eigneS Daseinsrecht. Jn-
folge scines allem Effektvollen abge-
wandten WesenS und cineS starken (mu-
sikalischcn) Drangeö zur Harmonie fallcn
die Farben seiner Ölbilder neben andern
zeitgcnössifchen Malern vielleicht wenigcr
blendend in die Augen, aber sie erhal-
ten ihre besondere Eigenart durch eine
schwere, funkelnde Pracht. Die Aquarell-
technik aber, besonders geeignet zur Wie-
dergabe von Licht, Luft und Wasser, hat
er so völlig wieder in den Dienst der
Ferne gestellt und dermaßen verfei-
nert und zu den äußersten Möglichkeiten
vorgetricben, daß seine Aquarelle in der
hauchzarten Darstellung und der atmo-
sphärischen Transparenz der Farben von
einer unbeschreiblichen inneren Leuchtkraft
und koSmischen Weite sind.
sgn unserer seelenarmen Zeit, da die tech-
nische Zivilisation der Christenheit unter
den durchsichtigsten Schlagworten von
„Fortschritt" und „Nutzen" Naturvölker,
alte Kulturen, heilige Bräuche, Volks-
lieder und Trachten, Tierrassen und Hoch-
wälder vernichtet hat und uns Heutige
unter der zerstörenden Flechte maschineller
„Leistungen" nur noch die zerfresscnde
Maske der Erde anstarrt -— da sind die
echten Maler der Landschaft Warner

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