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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

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Heft 12 (Septemberheft 1927)
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Bücherschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0474

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zollt werden mnß; wohl aber riefe sie
den Zweifel wach, ob eine Menschheit,
die sich alö ,,-s-a" schon so sehr ans-
kristallisiert hat, nm sich — will sie an-
ders noch slüssig, werdend, weiterleben —
plötzlich in die Vertanschnng des Vorzei-
chens hineingejagt zu entdecken, mit die-
ser Operation nicht vergebens gegen na-
tnrgesetzte Grenzen ihrer Evolutionsmog-
lichkeiten kämpft?

Als 20. Band der Geschichte der Philoso-
phie in Einzeldarstellungen, die Gnstav
Kaska bei Ernst Reinhardt in München
heransgibt, isk Bacon nnd die Na-
tnrphilosophie von Walter Frost
erschienen. Das sehr beachtenswerte rmd
gewissenhafte Bnch gibt im ersten Teile
die Lebensgeschichte Francis Bacons von
Berulam (1561—1626), nmreißt die Ge-
samtpersönlichkeit mrd inöbesondere den
Enzyklopädisten Bacon, und erörtert so-
dann Bacons Logik, Ethik nnd StaatS-
knnst. Jm zweiten Teil erfährt das „Rin-
gen der Philosophie mit der Tatsache der
modernen Natnrwissenschast" (Lionardo,
Kopernikus, Kepler, Galüei, die Erneue-
rer der Atomistik, Hnygens nnd Newton)
eine musterhast gestuste und beleuchtende
Darstellung. Wenn auch nur eine „Ein-
zeldarstellung", so doch eine, die durch-
wegs allgemeinen Hintergrund in ihrem
Rücken hat und überall gewinnreichen
Einblick in das Ganze der Philosophie
erössnet. A. Trentini

Hans Prinzhorn, Gespräch über
Psychoanalyse (Niels Kampmann,
Verlag, Heidelberg). Ein Trialog zwi-
schenArzt, Dichter und Frau über dasThe-
ma „Psychoanalyse", wobei der Arzt als
der eigentliche Wortsührer aus die Be-
denken und Einwände der beiden anderen
antwortet und so die Anschauungen
des Verfassers entwickelt. Zu Anfang
des letzten Kapitels nennt der Spre-
cher selbst seine Ausführungen „rhapso-
disch", und dieses Work ist tatsächlich sür
den Stil des ganzen Buches kennzeich-
nend. Die Probleme werden oft nur ge-
streist, und häusig wird — allzu schnell
und unvermitkelt für den Leser, der gerne
mehr ersahren möchte — auf Nebensra-
gen abgeglitten. Diese Methode läßt
keine rechte Ersättigung an dem Gebote-
nen auskommen, wenn sie auch anderer-
seits sreilich die berechtigte Ehrsurcht des
Verfassers vor der Fülle des Problema-
tischen verrät. Prinzhorn verteidigt die

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Psychoanalyse gegen manchen verständ-
nislosen Angriss, bleibt aber trotzdem ein
objektiver Kritiker. Als Hauptproblem
schwebt ihm, der ja selbst Arzt ist, das
Verhältnis zwischen Führer und Gesühr-
tem, also zwischen Analytiker und Ana-
lysiertem vor. Sehr überzeugend wird der
Gegensatz Echt—Unecht zum Angelpunkt
der Kritik gemacht. Dem Gesührten soll
der Weg zurück zur verlorenen Echtheit
gewiesen werden, und somit ist Echtheit
auch die erste Pflicht des Führers, der
sich niemals verleiten lassen dars, einen
Heiland oder dergleichen zu mimen. Die
Ünechtheik des Kranken stammt aus indi-
vidualistischer Vereinsamung und dcr da-
mit gegehenen Haltlosigkeit. Aufgabe der
Analyse ist es, die individualistische Ver-
bauung sortzuräumen und den Menschen
der Gemeinschaft zurückzugeben. Schließ-
lich kommt die Frage nach Wert und Ge-
fahr der Bewußtmachung zur Sprache.
Hier wird an das tiefste Problem der
Psychoanalyse gerührt und hier empsin-
det man darum die psychologische und
letzten Endes auch utilitarische Selbstbe-
schränknng des Verfassers schmerzlich.
Eine mehr als psychologische Durchar-
beitung der Frage hätte nämlich zu dem
Ergebm's sühren müssen, daß der Wert
der Bewußtmachung nur in der tragi-
schen Konsliktlösung gesucht werden dars,
wie sie in extremster Ausprägung der
BuddhismuS angestrebt hat. Da Prinz-
horn solchen letzten Konseqnenzen aus-
weicht und aus gewiß anerkennenswerten
ethischen Beweggründen auch vor dem
rationalistischen Zynismus der psychoana-
lytischen Schule zurückscheut, bleiht sein
Resultat die edle Halhheit, nicht mehr
aufzulösen, als durch Besseres ersetzt wer-

den kann. E. R.

*

Richard Kabisch, Unser Kind
(Verlag Vandenhoeck u. Ruprecht, Göt-
tingen). DaS vorliegende Buch stellt eine
Kürzung des 1922 bereits in sünfter
Auslage erschienenen Werks „Das neue
Geschlecht" dar. Alfred Heußner, der
diese Kürzung vorgenommen hat, hosft
aus diese Art die Arbeit ihrer eigent-
lichen Bestimmung näherzusühren und sie
zum Hausbuch der deutschen Familie wer-
den zu lassen. — Kabisch zählt heute zu
den pädagogischen Führern, weil er den
ertremen Forderungen im hewußten Ge-
gensatz zu manchen Neuerern bei aller
Liehe und allem Verständnis sür das
 
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