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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0050

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Im Pfarrhaus;u Buch am Ahorm

Das Dörfchen dieses Namens lag, abgeschieden von der Welt,
mit seiner Gemarkung größtenteils eingeschlossen in einem an Buchen-
und Ahornbäumen reichen Walde.

Jn den zwei Jahren, die ich dort zubrachte, sah ich kaum andre
Fremde, als Wallfahrer, die „vom heiligen Blut" in Walldürn kamen,
und Zigeuner, die eben so plötzlich erschienen, als verschwanden. —
Die Wallfahrer zogen betend und singend, mit Kruzifix und Fahnen,
durch den ganz evangelischen Ort, ohne sich aufzuhalten. Wenn die
Prozession nahe genug ans Dorf kam, eilten die Kinder herbei, stellten
sich zu beiden Seiten der Dorfstraße auf, streckten die Hände gegen die
Wallfahrer und erhielten von ihnen kleine Stücke eines gelblichen, faden
Gebäcks. — Die Zigenner verweilten einige Tage draußen'vor dem
Dorfe und schlugen am Waldsaum ein Lager auf; die Weiber und
Kinder liefen in die Häuser zu den Bauern, wahrsagten und holten
Brod, Speck und Eier, Milch und Butter. Jch ging mit den andern
Kindern hinaus an den Wald. Sie lagerten ums Feuer und brieten
gerade ihr Lieblingsgericht am Spieße, — fette Jgel.

Der große Forst, der das Dorf umgab, hatte abgelegene Stellen,
wo, nach Versicherung des Försters, der in dem nahen Ahornhofe ein-
sam wohnte, echte Wildkatzen im Dickicht hausten. Jch selbst sah eines
Tags tief im Wald eine riesige Katze sich in einer mächtigen Ahorn-
krone von Zweig zu Zweige schwingen.

Pfarrer Ganz und seine Frau standen beide im Beginn der
dreißige und waren herzgnte Leute. Sie hatten keine Kinder und be-
 
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