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Erschcinc» wöchcntlich einmal. — Man abonnirt bci allen Bnch- «/,. F Pr°'§ ^ """" Banb non 24 Nnmmcrn 3 fl. rb cbcr 1 Nthlr.

u. Knnsthanblungcn, allcn Posiämtcrn n. ZcitnngScrpcbitionen. ^ - *2l Sgr. Ginzclnc Nunimcrn kostcn 9 kr. rh od 3 Sgr.

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Die Tbürme der volkreichen Stadt Wolcs-
heim verkündeten die mitternächtliche 12te
Stunde. Es war cine reizcnde laue Som-
mernacht. Die Stadt lag im magischen
Schcine dcs filbernen Mondlichts und
ihre hohen Gebaude warfen riestge Scklag-
schatten nber die breitcn Straßen. —

Jn St. Pekri-Vorstadt, dem aristokrati-
sche» Theile Wolfsheims, wo stch Palast
an Palast drangtc, umgeben von zahl-
reichen Prachtvollen Gärtcn, waren allent-
halbcn die Lüfte mit mnrzigen, balsami-
schen Gcrnchen crfiillt, denn die tändcln-
dcn Zephyre spielten und koötcn in dcn
Blättern der duftigcn Nachtblumen, die
hicr übcrall in rcicher Flora prangkcn.

So geräuschvoll hicr die Tage i» Lust
und Freude dahinbrauSten, so ruhig und
still war die Nacht. Eine poetische süßc
Rubc war hier ausgebrcitet.

„Wohl Euch ihr Schläfer da oben in den herrlichen
Prunkgemächern, hinter den rcichen Gardincn und halboffc-
nen Fenstern! Jhr könnt wohl süß ruhen und leicht athmen!
Dic herbcn Sorgen und Lasten des Taseins, die den Armcn
durch das Leben hctzen bis an das Grab — dcn Ort dcr
cwigen Ruhe — Jhr kennt sie nicht, ihr ahnt sie nicht,
fiir Euch gibt es uur Genüsse und Freude, und die Welt
ist Euch ein Paradies! — Wcnn der Arme ost vcrzweifclnd

durch die Nacht irrt, um dcm Jamnier-
geschiei seiner hungernden Familie zu
enlriiincn, menn Tugend und Verbrechen
mit einander ringen, wenn aus dcn
Kloaken der Vorstädte der hohlmangige
zerlumptc Proletarier hervormankt, um
seinen letztcn Gang zu thun, und sich
im nächstcn Fluße von allen Leiden die-
ses Lebens mit cincm Sprunge zu er-
lösen, — da schlummert Jhr so süß, —
holde licbliche Traumbilder umgaukeln
Euch, dic leisen Klagen der Nachtigall
dringen an Euer Ohr, das Plätschern
der Fontaincn in eurcn Gärten mischt
sich darcin wic leiseS Geflüstcr und wür-
zige Lüstchcn fächeln cure Stirnc, wie
eiuc weiche liebe Hand. Ani Morgen er-
macht ihr dann fröhlich und heiter zu
neuem Genuß und neucr Lust, und euer
crstcr Vlick aus dcm Fcnster fälit auf
die zauberische Pracht eurer Gärten!" —
Ticsc Woite sprach halblaut ein Mann, der langsam
und vorsichtig lcise durch die Straficn schritt und zuwcilen
bewundcrnd vor den großen eiscrnen Thoren dieser Pracht-
gärten und Palästc stchen blieb,, zuweilen auch ausschaute
nnd scheinbar in tieses Sinncn verloren gcn Hinimel blickte.
Sanft schien der Mond hernicder und belcuchtete das geister-
bleichc Gesicht, dessen dunkle Augen funkelnd aus hohlen
eingesallenen Wangen starrten. dcssen Stirn ticfgefurcht von

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