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Alper, Götz; Römer-Strehl, Christiane
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Band 32): "Johanneser Kurhaus": ein mittelalterlicher Blei-/Silbergewinnungsplatz bei Clausthal-Zellerfeld im Oberharz — Rahden /​ Westf.: Verlag Marie Leidorf, 2003

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.68366#0355
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Bewohner am Johanneser Kurhaus, wenngleich ein
erheblicher Teil der Eisenfunde mit der montanen
Tätigkeit in Zusammenhang steht. Funde wie der
Herdrost, die Schlossteile und das Messer mit der
Bronzedraht-Einlage im Griff sprechen jedoch für
Haushalte, deren Ausstattung überdas Notwendig-
ste hinausging. In den städtischen oder adeligen
Bereich weist ein Pferdestriegel - nicht auszuschlie-
ßen ist allerdings, dass das Fehlen von Eisenstrie-
gelfunden aus dörflichen Siedlungen des 12. und
13. Jahrhunderts forschungsbedingt ist (vgl. Kapi-
tel 7.2.1. Voigt 1987, 145. Flegenhauer-Schmiedt
1993, 203). Sporen, die im adeligen Bereich zu den
obligatorischen Funden gehören, aber auch in städ-
tischen Siedlungen auftauchen, fehlen dagegen am
Johanneser Kurhaus. Wie insbesondere für das
Herdrostteil, das sich als Alteisen in einem Schmie-
deofen befand, muss auch bei anderen am Johan-
neser Kurhaus gefundenen Eisenobjekten überlegt
werden, ob sie in der Siedlung in Gebrauch waren
oder nur von den dort tätigen Schmieden herge-
stellt oder als Altmetall eingesetzt wurden.
Der Fund eines Fensterrutenfragments wirft eben-
falls ein derartiges Interpretationsproblem auf: Ver-
glaste Fenster im Profanbereich wären im begin-
nenden 13. Jahrhundert ein deutlicher Beweis für
einen hohen Lebensstandard (vgl. Kapitel 7.2.4).
Wahrscheinlicher ist jedoch, dass es sich bei der
Bleirute um ein Relikt der Bleiverarbeitung am
Johanneser Kurhaus handelt (vgl. Kapitel 8.5).
Als eindeutiger Beleg für den Wohlstand der am
Johanneser Kurhaus lebenden Personen oder
zumindest eines dort ansässigen Schmiedes kann
dagegen der Gebrauch von Kardamom, das auch
heute noch zu den wertvollsten Gewürzen gehört,
angesehen werden; Weintrauben beziehungsweise
Rosinen gehörten ebenfalls nicht zu den verbrei-
teten Nahrungsmitteln, werden aber weit weniger
wertvoll gewesen sein (vgl. Kapitel 7.4.3. Behre
1995c, 141. Matthies 1989, 19-196).

Insgesamt spricht das Fundmaterial für ökono-
misch gut gestellte Bewohner am Johanneser Kur-
haus. Die Funde sind mit denen aus dem städti-
schen und (klein) adeligen Bereich bekannten
Material vergleichbar und heben sich von dem
bäuerlicher Siedlungen ab. Eine Beobachtung, die
auch in anderen deutschen Mittelgebirgen für
Montansiedlungen des 13. und 14. Jahrhunderts
gemacht wurde (vgl. Kapitel 6.5). Inwiefern die-
ser relative Wohlstand mit der gesellschaftlichen
Stellung der Berg- und Hüttenleute in Überein-
klang stand, ist anhand des Sachgutes indes nicht
zu beantworten - die Schriftquellen zeigen aller-
dings, dass die in den Harzwäldern beheimateten
Silvanen eine ähnliche Rechtsstellung wie die
Goslarer Bürger besaßen (vgl. Kapitel 3). Das
Fundmaterial spiegelt auch das Repräsentations-
verhalten der Silvanen und ihrer Lebensweise
wider. Die Lebensumstände waren stark von der
montanen Arbeit geprägt und unterschieden sich
von denen städtischer Kaufleute und Kleinadeli-
gen, am ehesten dürfte sie Parallelen zu städti-
schen Handwerkern aufgewiesen haben (vgl.
Schütte 1989, 163).
Zum Themenbereich Kommunikation und Schrift-
lichkeit bieten die Funde vom Johanneser Kur-
haus nur wenig Anhaltspunkte. In erster Linie ist
hier der Fingerring mit der Gravur „Annamater-
mar“ anzuführen, wobei unklar bleibt, ob sein Trä-
ger in der Lage war, die Buchstaben zu lesen. Ohne
einen beträchtlichen Grad der Schriftlichkeit im
Umfeld des Besitzers aber auch des Handwerkers,
der den Ring hergestellt hat, ist die Inschrift jedoch
kaum vorstellbar (vgl. Felgenhauer-Schmiedt
1993, 217-219. Steuer 1995, 97-99). Das Bleilot
vom Johanneser Kurhaus, das vermutlich zur Berg-
werksvermessung eingesetzt wurde, kann eben-
falls als Hinweis auf eine „höhere“ Bildung ange-
sehen werden, die bei den leitenden Personen
eines komplexen Montanreviers ohnehin anzu-
nehmen ist (vgl. Kapitel 3.1, 8.1.1).

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