9. Zusammenfassung
In den Jahren 1987-1991 wurden in einer mittel-
alterlichen Bergbausiedlung am Johanneser Kur-
haus vom Niedersächsischen Landesamt für
Denkmalpflege in enger Zusammenarbeit mit dem
Institut für anorganische und analytische Chemie
der Universität Clausthal sowie verschiedener
anderer Forschungseinrichtungen umfangreiche
montanarchäologische Untersuchungen durchge-
führt. Das Grabungsareal liegt am Westrand der
Clausthaler Hochebene im oberen Stuffental,
unmittelbar am Zellerfelder Hauptzug, dessen in
Bleierz enthaltenes Silber primäres Ziel der mittel-
alterlichen Montanaktivitäten war.
Durch montanarchäologische Untersuchungen
zeichnet sich der Westharz als eine schon in karo-
lingischer Zeit komplexe Montanlandschaft ab,
deren Wurzeln bis in die Bronzezeit zurückreichen.
Etwa im 8. Jahrhundert setzte nach 14C-Untersu-
chungen auch nordöstlich des Johanneser Kurhau-
ses eine Waldnutzung zur Holzkohlegewinnung
ein. Analysen an Kohlen aus Grubenmeilern zei-
gen, dass damals der primäre Buchen-Ahorn-Wald
in diesem Gebiet noch weitgehend intakt war.
Die schriftlichen Quellen lassen seit dem 10. Jahr-
hundert, seit der Zeit Ottos dem Großen, eine
königliche Silbergewinnung im Harz unter Betei-
ligung kirchlicher Einrichtungen erkennen, die
ein Zentrum in Gittelde am Westharz hatte.
Vom 10. Jahrhundert an sind auch im Grabungs-
areal am Johanneser Kurhaus selbst Aktivitäten
nachweisbar. Auf der Sohle und auf der südlichen
Böschung eines Baches, dessen mehrere Meter
breites Bett ursprünglich etwa 10-20 m südlich des
heutigen Bachlaufes in Ostsüdost-Westnordwest-
Richtung durch das Grabungsgelände verlief, wur-
den „Waldnutzungsschichten“ angetroffen: in das
tonige Material des Bachbettes waren Holzreste
mit Bearbeitungsspuren eingelagert - eine Probe
aus einer oberen Schicht stammt wahrscheinlich
aus dem (mittleren) 10. Jahrhundert (14C-Analy-
se). Tiefer gelegene, Holzteile führende Schichten
könnten schon mit karolingerzeitlichem Holzein-
schlag in Zusammenhang stehen. Die älteste am
Johanneser Kurhaus gefundene Keramik (Stand-
boden- und ältere Kugeltopfware) belegt eine Nut-
zung des Gebietes allerdings erst seit dem 10. Jahr-
hundert. Auf der nördlichen Böschung des Baches
wurden über einen längeren Zeitraum, dem 10.
und 11. Jahrhundert, Bleiglanz, der vermutlich
lokal abgebaut wurde, verhüttet und auch Silber
aus Werkblei gewonnen. Die Verhüttung fand
nach einem einstufigen Röst-Reaktionsverfahren,
für das Holz als Energiequelle ausreichte, in rund-
lichen Herdöfen statt. Die einfachen Öfen waren
aus Lehm und Stein errichtet und zum Teil mit
Staken befestigt. Ihr Durchmesser lag bei 1-1,5 m.
Westlich schloss sich an sie eine etwas tiefer gele-
gen kleine Grube als Vorherd an, in dem sich das
erschmolzene Werkblei sammeln konnte. Die Öfen
lagen etwa im Abstand von 2,5-4 m voneinander
entfernt, wobei sechs mehr oder weniger gut erhal-
tene Ofenreste freigelegt werden konnten. Ober-
halb eines Verhüttungsofens wurde ein Kupella-
tionsofen ähnlicher Zeitstellung auf der Bachbö-
schung ausgegraben, der offenbar keine singuläre
Erscheinung darstellte. In dem runden, vermut-
lich überwölbten Ofen mit ca. 1,4 m Gesamtdurch-
messer wurde das Silber vom Blei getrennt, indem
man das flüssige Blei in einen Aschetiegel einsi-
ckern ließ. Ende des 11. oder zu Beginn des 12. Jahr-
hunderts wurde der Bachlauf mit Abraummateri-
al aus dem Bergbau verfüllt, das orangerot oxidiert
und von dünnen schwarzen Schichten durchzo-
gen angetroffen wurde. Der Bach verlagerte sich
jetzt vermutlich in sein heutiges Bett, auf dessen
Sohle ein in den Fels eingeschliffenes Wagengleis
davon zeugte, dass es sich ehemals um einen
Hohlweg gehandelt hat. Eindeutige Siedlungsspu-
ren sind aus der ältesten Phase (1) nicht überlie-
fert und auch die eher geringe Menge an Keramik-
funden deutet nicht auf eine stärkere Besiedlung.
Vermutlich waren die am Johanneser Kurhaus
tätigen Berg- und Hüttenleute am Harzrand behei-
matet. Interessant ist in diesem Zusammenhang,
dassfüreine Keramikscherbe des 10./II. Jahrhun-
derts durch mineralogische Untersuchungen eine
Herkunft vom westlichen Harzrand belegt werden
konnte.
Aus historischer Sicht ist für das 11. Jahrhundert
eine Konzentration der Aktivitäten des König-
tums im Westharz auf Goslar herauszustellen. Es
kam zu der Gründung einer Reichsvogtei in
Goslar, die höchstwahrscheinlich auch die Claus-
thaler Hochebene mit dem Areal am Johanneser
Kurhaus umfasste - ob dieses Gebiet davor in Ver-
bindung mit königlichen beziehungsweise kirch-
lichen (Bistum Magdeburg) Besitzungen am West-
harz, insbesondere in Gittelde, gestanden hat,
muss anhand der schriftlichen Überlieferung Spe-
kulation bleiben.
377
In den Jahren 1987-1991 wurden in einer mittel-
alterlichen Bergbausiedlung am Johanneser Kur-
haus vom Niedersächsischen Landesamt für
Denkmalpflege in enger Zusammenarbeit mit dem
Institut für anorganische und analytische Chemie
der Universität Clausthal sowie verschiedener
anderer Forschungseinrichtungen umfangreiche
montanarchäologische Untersuchungen durchge-
führt. Das Grabungsareal liegt am Westrand der
Clausthaler Hochebene im oberen Stuffental,
unmittelbar am Zellerfelder Hauptzug, dessen in
Bleierz enthaltenes Silber primäres Ziel der mittel-
alterlichen Montanaktivitäten war.
Durch montanarchäologische Untersuchungen
zeichnet sich der Westharz als eine schon in karo-
lingischer Zeit komplexe Montanlandschaft ab,
deren Wurzeln bis in die Bronzezeit zurückreichen.
Etwa im 8. Jahrhundert setzte nach 14C-Untersu-
chungen auch nordöstlich des Johanneser Kurhau-
ses eine Waldnutzung zur Holzkohlegewinnung
ein. Analysen an Kohlen aus Grubenmeilern zei-
gen, dass damals der primäre Buchen-Ahorn-Wald
in diesem Gebiet noch weitgehend intakt war.
Die schriftlichen Quellen lassen seit dem 10. Jahr-
hundert, seit der Zeit Ottos dem Großen, eine
königliche Silbergewinnung im Harz unter Betei-
ligung kirchlicher Einrichtungen erkennen, die
ein Zentrum in Gittelde am Westharz hatte.
Vom 10. Jahrhundert an sind auch im Grabungs-
areal am Johanneser Kurhaus selbst Aktivitäten
nachweisbar. Auf der Sohle und auf der südlichen
Böschung eines Baches, dessen mehrere Meter
breites Bett ursprünglich etwa 10-20 m südlich des
heutigen Bachlaufes in Ostsüdost-Westnordwest-
Richtung durch das Grabungsgelände verlief, wur-
den „Waldnutzungsschichten“ angetroffen: in das
tonige Material des Bachbettes waren Holzreste
mit Bearbeitungsspuren eingelagert - eine Probe
aus einer oberen Schicht stammt wahrscheinlich
aus dem (mittleren) 10. Jahrhundert (14C-Analy-
se). Tiefer gelegene, Holzteile führende Schichten
könnten schon mit karolingerzeitlichem Holzein-
schlag in Zusammenhang stehen. Die älteste am
Johanneser Kurhaus gefundene Keramik (Stand-
boden- und ältere Kugeltopfware) belegt eine Nut-
zung des Gebietes allerdings erst seit dem 10. Jahr-
hundert. Auf der nördlichen Böschung des Baches
wurden über einen längeren Zeitraum, dem 10.
und 11. Jahrhundert, Bleiglanz, der vermutlich
lokal abgebaut wurde, verhüttet und auch Silber
aus Werkblei gewonnen. Die Verhüttung fand
nach einem einstufigen Röst-Reaktionsverfahren,
für das Holz als Energiequelle ausreichte, in rund-
lichen Herdöfen statt. Die einfachen Öfen waren
aus Lehm und Stein errichtet und zum Teil mit
Staken befestigt. Ihr Durchmesser lag bei 1-1,5 m.
Westlich schloss sich an sie eine etwas tiefer gele-
gen kleine Grube als Vorherd an, in dem sich das
erschmolzene Werkblei sammeln konnte. Die Öfen
lagen etwa im Abstand von 2,5-4 m voneinander
entfernt, wobei sechs mehr oder weniger gut erhal-
tene Ofenreste freigelegt werden konnten. Ober-
halb eines Verhüttungsofens wurde ein Kupella-
tionsofen ähnlicher Zeitstellung auf der Bachbö-
schung ausgegraben, der offenbar keine singuläre
Erscheinung darstellte. In dem runden, vermut-
lich überwölbten Ofen mit ca. 1,4 m Gesamtdurch-
messer wurde das Silber vom Blei getrennt, indem
man das flüssige Blei in einen Aschetiegel einsi-
ckern ließ. Ende des 11. oder zu Beginn des 12. Jahr-
hunderts wurde der Bachlauf mit Abraummateri-
al aus dem Bergbau verfüllt, das orangerot oxidiert
und von dünnen schwarzen Schichten durchzo-
gen angetroffen wurde. Der Bach verlagerte sich
jetzt vermutlich in sein heutiges Bett, auf dessen
Sohle ein in den Fels eingeschliffenes Wagengleis
davon zeugte, dass es sich ehemals um einen
Hohlweg gehandelt hat. Eindeutige Siedlungsspu-
ren sind aus der ältesten Phase (1) nicht überlie-
fert und auch die eher geringe Menge an Keramik-
funden deutet nicht auf eine stärkere Besiedlung.
Vermutlich waren die am Johanneser Kurhaus
tätigen Berg- und Hüttenleute am Harzrand behei-
matet. Interessant ist in diesem Zusammenhang,
dassfüreine Keramikscherbe des 10./II. Jahrhun-
derts durch mineralogische Untersuchungen eine
Herkunft vom westlichen Harzrand belegt werden
konnte.
Aus historischer Sicht ist für das 11. Jahrhundert
eine Konzentration der Aktivitäten des König-
tums im Westharz auf Goslar herauszustellen. Es
kam zu der Gründung einer Reichsvogtei in
Goslar, die höchstwahrscheinlich auch die Claus-
thaler Hochebene mit dem Areal am Johanneser
Kurhaus umfasste - ob dieses Gebiet davor in Ver-
bindung mit königlichen beziehungsweise kirch-
lichen (Bistum Magdeburg) Besitzungen am West-
harz, insbesondere in Gittelde, gestanden hat,
muss anhand der schriftlichen Überlieferung Spe-
kulation bleiben.
377