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Alper, Götz; Römer-Strehl, Christiane
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Band 32): "Johanneser Kurhaus": ein mittelalterlicher Blei-/Silbergewinnungsplatz bei Clausthal-Zellerfeld im Oberharz — Rahden /​ Westf.: Verlag Marie Leidorf, 2003

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.68366#0383
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(eisernem Werkzeug) und Geleucht versorgt. Mit
Ausnahme des östlichen Grabungsbereiches, wo
auch noch in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhun-
derts Aktivitäten nachzuweisen sind, kam die
Siedlungstätigkeit am Johanneser Kurhaus um die
Mitte des 13. Jahrhunderts zum Erliegen.
Halden des Bergbaus aus dem 13. Jahrhundert
sind im Grabungsareal nur in geringem Umfang
nachgewiesen; da sich hier jetzt die Siedlung
befand, musste der Abraum an anderer Stelle
deponiert werden. Deutliche Hinweise auf den
Bergbau geben jedoch die zahlreichen Funde von
bergmännischem Gezähe. Neben Keilhauen und
Fimmeln (Keilen) waren in der ersten Hälfte des
13. Jahrhunderts schon Bergeisen in Gebrauch.
Zum Entfernen lockeren Gesteins dienten Krät-
zer. Aus mittelalterlichen und frühneuzeitlichen
Schriftquellen sowie im Vergleich mit anderen
mittelalterlichen Bergwerken lässt sich schließen,
dass der Bergbau auf dem Zellerfelder Hauptgang
und auch am Johanneser Kurhaus im 13./14. Jahr-
hundert schon in größere Tiefen vorgestoßen war,
und ausgedehnte Bergwerke mit Schächten und
Stollen existierten, deren Abbaue in „Gruben“
aufgeteilt waren. Ein am Johanneser Kurhaus ge-
fundenes Bleilot wurde wahrscheinlich bei der
komplizierten untertägigen Vermessung einge-
setzt. Der Versorgung der Bergleute mit eisernem
Gezähe dienten nicht nur die angesprochenen
Schmiedegebäude, im gesamten Grabungsbereich
wurden zahlreiche Schmiedeessen festgestellt, wo-
bei sich sehr unterschiedliche Essetypen erkennen
lassen. Von der Schmiedetätigkeit zeugen auch
zahlreiche Schlacken beziehungsweise Schlacken-
halden einer eisenverarbeitenden Metallurgie -
die größte, allerdings nicht vollständig erfasste,
erbrachte fast 80 kg Schlacke. Auch die Aufarbei-
tung des gewonnenen Erzes (Bleiglanz) lässt sich
im Grabungsareal vielfach nachweisen: Große
Unterlegblöcke zum Pochen von Erz lagen direkt
auf dem Boden, während kleinere, plattige Unter-
legsteine vermutlich auf Pfosten oder Bänken ruh-
ten. Verschiedene Befunde (Gerinne, Gruben
usw.) lassen außerdem auf nasse Erzaufbereitung
schließen. Wie Schlacken bezeugen, wurde der
Bleiglanz zumindest teilweise auch weiterhin vor
Ort verhüttet. Die nur noch sehr geringen Bleian-
teile der heterogenen Verhüttungsschlacken zei-
gen, dass man gegenüber dem 10./11. Jahrhundert
sehr große Fortschritte bei der Bleigewinnung im
Röst-Reaktionsverfahren gemacht hatte. Einige
Fließschlacken belegen, dass auch ein zweistufi-
ges Röst-Reduktionsverfahren angewandt wurde,
für das Schachtöfen anzunehmen sind. Durch

Stücke Rammeisberger Erzes ist darüber hinaus
die Gewinnung von Kupfer am Johanneser Kur-
haus nachgewiesen. Vermutlich verhüttete man
die verschiedenen Erze und noch metallhaltige
Rückstände in kombinierten Verfahren. Die run-
den Öfen und Bleiglättefunde zeigen, dass aus sil-
berhaltigem Werkblei weiterhin Silber extrahiert
wurde, wobei verschiedene Kupellationsverfah-
ren (kombiniert) angewandt wurden. In beschei-
denem Umfang wurden die gewonnenen Metalle
auch weiterverarbeitet, so lässt sich etwa der Guss
von Bleigegenständen nachweisen. In den Fun-
den und Befunden des 13. Jahrhunderts vom
Johanneser Kurhaus spiegelt sich die gesamte Pro-
duktionskette vom Abbau des Erzes bis zum
Metall und dessen Weiterverarbeitung wider, wo-
bei sich generell ein hohes technisches Niveau
erkennen lässt.
Es konnten jedoch nicht nur die Arbeitswelt der
Berg- und Hüttenleute sowie das Aussehen der
Siedlung und der Gebäude, in denen sie lebten,
erforscht werden. Insbesondere anhand des um-
fangreichen Fundmaterials lassen sich viele wei-
tere Aussagen zu ihnen treffen. Spinnwirtel und
Spielzeugfiguren weisen darauf, dass die Berg-
und Hüttenleute hier mit Frauen und Kindern leb-
ten. Wahrscheinlich von Frauen wurden auch pro-
filierte Gürtelschnallen aus Buntmetall getragen-
die Frauen kleideten sich der Mode der damali-
gen Zeit entsprechend. Speziell die Trachtbestand-
teile beziehungsweise der Schmuck, aber auch
das übrige Fundmaterial zeigen einen gewissen,
etwa dem städtischen Milieu vergleichbaren Wohl-
stand. Anhand der Keramik lassen sich Handels-
verbindungen ins Leinebergland feststellen. Zahl-
reiche Wagenspuren (Radabstand ca. 1,4 m) und
Hohlwege spiegeln einen umfangreichen Güter-
verkehr wider; zum einen wird er der Versorgung
der Bewohner mit Lebensmitteln aus dem Um-
land des Harzes gedient haben und zum anderen
montanen Zwecken, wie dem Transport von Erz
und Holzkohle. Sehr interessant sind einige Funde,
die einen Einblick in die religiöse Vorstellungs-
welt ermöglichen: Um das Flechtwandgebäude
im zentralen Grabungsbereich waren Miniaturge-
fäße vergraben worden, wohl als Bauopfer oder
Schutzzauber. Die Inschrift eines Fingerringes be-
legt die Verehrung der hl. Anna, der Mutter Mari-
as, deren Wertschätzung bei Bergleuten auf archai-
sche Vorstellungen über die Entstehung von
Metallen im Bauch der Erde zurückgeht. Außer-
dem wurde ein symmetrisches, äußerst sorgfältig
gefertigtes Stecheisen zum Öffnen der Verhüt-
tungsöfen gefunden, dessen Gestaltung mögli-

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