oder Pfund1 (Karl 408,240 g) : Pfund3 (Nürn-
berg 511,300 g) = 16 : 20 (Unzenb)].
6. Das ältere Maßwesen verlangte die „aequali-
tas“, das heißt die Bewahrung der Vergleich-
barkeit eines Gewichtsstückes mit Hilfe seiner
rechten Zahl in gewachsenen Zahl-Systemen
der Einteilung und Vergleichung(en) (siehe
Witthöft 1990b, 36ff.).
7. Die metrische, dezimale Genauigkeit war/ist
hingegen erst ein Produkt des abstrakten neu-
zeitlichen naturwissenschaftlichen Denkens
und dem Mittelalter unbekannt; modern aus-
gedrückt erreichte das ältere Gewichtswesen
bis in die frühe Neuzeit keinen höheren Grad
der Genauigkeit als etwa 10 3 4
[1 M. Köln geteilt in oder als Summe von 512
Heller(n) = l,9xl0-3] (Witthöft 1996, 16ff.).
I.
Derart angesprochen lassen sich auch die Funde
aus ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts aus der
Bergbau- und Hüttensiedlung am Johanneser Kur-
haus historisch kritisch erschließen3. Vier bleier-
ne monetoforme Scheiben mit einem Durchmes-
ser von 1,7-2,7 cm und einer Höhe von 0,65-1,1 cm,
zum Teil mit abgebröselten Rändern und korro-
diert, wiegen heute 13,247 - 22,233 - 24,260 -
45,918 g (Abb. 142,143,1.3-5) (vgl. Kapitel 7.2.4)4.
Sie sind als Gewichte einer Schalwaage zu inter-
pretieren, ohne dass sich ihre spezifische Funktion
präziser fassen ließe. Der Fundort macht ihren
Gebrauch bei der Metallgewinnung und -bearbei-
tung wahrscheinlich, schließt aber auch eine kauf-
männische oder Münz-Nutzung nicht aus.
Georg Agricola beschrieb um 1550 erstmals den
Einsatz derartiger Gewichte im Berg- und Hütten-
wesen des frühen 16. Jahrhunderts (Agricola
1552,225ff.). In Sachsen wurden seit dem 16. Jahr-
hundert Berglachter und Bergellen, Flächenmaße
im Bergbau, Raummaße für Erze und Holzkoh-
len, Transportmaße, Probiergewicht und Bergge-
wicht oder Zentner gesetzlich festgelegt (Brandt
1943, Kapitel 1.5,2.4,6.2,6.6, 7.4, 7.8.1933,15ff.,
74ff., 133). Die Quellen des 17. und 18. Jahrhun-
derts überliefern den Bergzentner je nach Ort und
Einsatz mit 100,110,112,114,118 und 120 Pfund.
„In den Hammerwerken wurde das Berggewicht
‘Waage’ genannt“ (Brandt 1943, Kapitel 7.4)5.
Nach Material, Form und Größenordnung schei-
nen die Stücke vom Johanneser Kurhaus zu einem
im Früh- und Hochmittelalter gebräuchlichen Ty-
pus von einfachen Gebrauchsgewichten in einer
Epoche fehlender bronzener Großstücke zu gehö-
ren. Erhalten ist außerdem ein eisernes Bruch-
stück von rund 30 cm Länge, das alle Merkmale
eines Waagebalkens (Schalwaage, Schnellwaage?)
aufweist (Abb. 129,l)6.
Offen bleiben die metrologischen Funktionen
einer gestempelten Bleischeibe „mzt Gusszapfen“
(77,033 g) und eines kleinen, zierlichen Bleikreu-
zes (7,922 g) (Abb. 143,6.7)7. Während eine Deu-
tung der Scheibe als Gewichtsstück plausibel
erscheint8, spricht für eine gewichtsbestimmte
Fertigung des Kreuzes - nicht für eine primäre
Bedeutung als Gewicht -, dass in der Stadtwüs-
tung Nienover im Solling (13. Jahrhundert) ein
scheibenförmiges Bleigewicht mit nahezu identi-
scher Masse (7,91 g) gefunden wurde (siehe Kra-
bath 1998, 177; 180)9.
3 Hier und im folgenden nach der Fundaufnahme durch die Arbeitsstelle Montanarchäologie in Goslar des Niedersächsi-
schen Landesamtes für Denkmalpflege Hannover.
4 Johanneser Kurhaus, Zellerfeld-Forst, Ldkr. Goslar (FStNr. 10), FNr. 3871 - FNr. 973 - FNr. 3668 - FNr. 1090.
5 Siehe auch die Erörterungen zu Variationen der Zentnergewichte und zur Gewichtseinheit Wage bei H. Witthöft, 1979,
99ff, 119f.
6 Johanneser Kurhaus, Zellerfeld-Forst, Ldkr. Goslar (FStNr. 10), FNr. 3506.
7 Johanneser Kurhaus, Zellerfeld-Forst, Ldkr. Goslar (FStNr. 10), FNr. 4555 - FNr. 3937.
8 Diese Interpretation vertritt auch L. Klappauf (Hannover/Goslar) unter Hinweis auf Steuer 1997a, 68f. (G 17). - H. Jan-
kuhn (1972, 219) nennt in einer ersten Übersicht zu Gewichtsfunden in Haithabu, Rantrum und Witzworth für die letz-
teren beiden Orte Fundbarren von 78,5 g und 76,5 g. Sie lassen sich als Drei-Unzen-Gewichte verstehen in der Größen-
ordnung einer libra Gold der Rechnung „in auro et argento“ (Witthöft 1984, 104f.) und stützen unsere Deutung des
Johanneser Fundes.
9 Herrn Klappauf sei gedankt für diesen Literaturhinweis - auch für seine Bemerkung, dass die Noppe im Zentrum als „Griff-
noppe“ gedient haben könne. - Zu einer vergleichbaren Maßhaltigkeit der Abmessungen eines Formstückes siehe unter
anderem E. Pfeiffer 1973. Für die Maßhaltigkeit von Werkzeugen spricht die am Johanneser Kurhaus gefundene „Eisen-
spitze mit Tülle [...], die wahrscheinlich als 'Stecheisen' zum Aufstechen von Verhüttungsöfen am Ende des Schmelz-
vorganges diente“ und ursprünglich „an einem Holzstiel befestigt war“-, ihre Abmessungen (Spitze und Schaft je 20 cm,
Durchmesser des Schaftes 5,1 cm) lassen sich als Vielfache eines zeitgenössischen Zollmaßes (Halbmesser = 25,5 mm)
verstehen: 12 Zoll = 306 mm, 16 Zoll = 408 mm (Abb. 125, 132,1) (Kapitel 7.2.1); zu diesem 12-Zoll-Maß als „staufischem
Fuß“ siehe G. Binding 1970, 34ff., auch Witthöft 2001; zu seiner weiten Verbreitung siehe auch Witthöft 1993, 28ff.
400
berg 511,300 g) = 16 : 20 (Unzenb)].
6. Das ältere Maßwesen verlangte die „aequali-
tas“, das heißt die Bewahrung der Vergleich-
barkeit eines Gewichtsstückes mit Hilfe seiner
rechten Zahl in gewachsenen Zahl-Systemen
der Einteilung und Vergleichung(en) (siehe
Witthöft 1990b, 36ff.).
7. Die metrische, dezimale Genauigkeit war/ist
hingegen erst ein Produkt des abstrakten neu-
zeitlichen naturwissenschaftlichen Denkens
und dem Mittelalter unbekannt; modern aus-
gedrückt erreichte das ältere Gewichtswesen
bis in die frühe Neuzeit keinen höheren Grad
der Genauigkeit als etwa 10 3 4
[1 M. Köln geteilt in oder als Summe von 512
Heller(n) = l,9xl0-3] (Witthöft 1996, 16ff.).
I.
Derart angesprochen lassen sich auch die Funde
aus ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts aus der
Bergbau- und Hüttensiedlung am Johanneser Kur-
haus historisch kritisch erschließen3. Vier bleier-
ne monetoforme Scheiben mit einem Durchmes-
ser von 1,7-2,7 cm und einer Höhe von 0,65-1,1 cm,
zum Teil mit abgebröselten Rändern und korro-
diert, wiegen heute 13,247 - 22,233 - 24,260 -
45,918 g (Abb. 142,143,1.3-5) (vgl. Kapitel 7.2.4)4.
Sie sind als Gewichte einer Schalwaage zu inter-
pretieren, ohne dass sich ihre spezifische Funktion
präziser fassen ließe. Der Fundort macht ihren
Gebrauch bei der Metallgewinnung und -bearbei-
tung wahrscheinlich, schließt aber auch eine kauf-
männische oder Münz-Nutzung nicht aus.
Georg Agricola beschrieb um 1550 erstmals den
Einsatz derartiger Gewichte im Berg- und Hütten-
wesen des frühen 16. Jahrhunderts (Agricola
1552,225ff.). In Sachsen wurden seit dem 16. Jahr-
hundert Berglachter und Bergellen, Flächenmaße
im Bergbau, Raummaße für Erze und Holzkoh-
len, Transportmaße, Probiergewicht und Bergge-
wicht oder Zentner gesetzlich festgelegt (Brandt
1943, Kapitel 1.5,2.4,6.2,6.6, 7.4, 7.8.1933,15ff.,
74ff., 133). Die Quellen des 17. und 18. Jahrhun-
derts überliefern den Bergzentner je nach Ort und
Einsatz mit 100,110,112,114,118 und 120 Pfund.
„In den Hammerwerken wurde das Berggewicht
‘Waage’ genannt“ (Brandt 1943, Kapitel 7.4)5.
Nach Material, Form und Größenordnung schei-
nen die Stücke vom Johanneser Kurhaus zu einem
im Früh- und Hochmittelalter gebräuchlichen Ty-
pus von einfachen Gebrauchsgewichten in einer
Epoche fehlender bronzener Großstücke zu gehö-
ren. Erhalten ist außerdem ein eisernes Bruch-
stück von rund 30 cm Länge, das alle Merkmale
eines Waagebalkens (Schalwaage, Schnellwaage?)
aufweist (Abb. 129,l)6.
Offen bleiben die metrologischen Funktionen
einer gestempelten Bleischeibe „mzt Gusszapfen“
(77,033 g) und eines kleinen, zierlichen Bleikreu-
zes (7,922 g) (Abb. 143,6.7)7. Während eine Deu-
tung der Scheibe als Gewichtsstück plausibel
erscheint8, spricht für eine gewichtsbestimmte
Fertigung des Kreuzes - nicht für eine primäre
Bedeutung als Gewicht -, dass in der Stadtwüs-
tung Nienover im Solling (13. Jahrhundert) ein
scheibenförmiges Bleigewicht mit nahezu identi-
scher Masse (7,91 g) gefunden wurde (siehe Kra-
bath 1998, 177; 180)9.
3 Hier und im folgenden nach der Fundaufnahme durch die Arbeitsstelle Montanarchäologie in Goslar des Niedersächsi-
schen Landesamtes für Denkmalpflege Hannover.
4 Johanneser Kurhaus, Zellerfeld-Forst, Ldkr. Goslar (FStNr. 10), FNr. 3871 - FNr. 973 - FNr. 3668 - FNr. 1090.
5 Siehe auch die Erörterungen zu Variationen der Zentnergewichte und zur Gewichtseinheit Wage bei H. Witthöft, 1979,
99ff, 119f.
6 Johanneser Kurhaus, Zellerfeld-Forst, Ldkr. Goslar (FStNr. 10), FNr. 3506.
7 Johanneser Kurhaus, Zellerfeld-Forst, Ldkr. Goslar (FStNr. 10), FNr. 4555 - FNr. 3937.
8 Diese Interpretation vertritt auch L. Klappauf (Hannover/Goslar) unter Hinweis auf Steuer 1997a, 68f. (G 17). - H. Jan-
kuhn (1972, 219) nennt in einer ersten Übersicht zu Gewichtsfunden in Haithabu, Rantrum und Witzworth für die letz-
teren beiden Orte Fundbarren von 78,5 g und 76,5 g. Sie lassen sich als Drei-Unzen-Gewichte verstehen in der Größen-
ordnung einer libra Gold der Rechnung „in auro et argento“ (Witthöft 1984, 104f.) und stützen unsere Deutung des
Johanneser Fundes.
9 Herrn Klappauf sei gedankt für diesen Literaturhinweis - auch für seine Bemerkung, dass die Noppe im Zentrum als „Griff-
noppe“ gedient haben könne. - Zu einer vergleichbaren Maßhaltigkeit der Abmessungen eines Formstückes siehe unter
anderem E. Pfeiffer 1973. Für die Maßhaltigkeit von Werkzeugen spricht die am Johanneser Kurhaus gefundene „Eisen-
spitze mit Tülle [...], die wahrscheinlich als 'Stecheisen' zum Aufstechen von Verhüttungsöfen am Ende des Schmelz-
vorganges diente“ und ursprünglich „an einem Holzstiel befestigt war“-, ihre Abmessungen (Spitze und Schaft je 20 cm,
Durchmesser des Schaftes 5,1 cm) lassen sich als Vielfache eines zeitgenössischen Zollmaßes (Halbmesser = 25,5 mm)
verstehen: 12 Zoll = 306 mm, 16 Zoll = 408 mm (Abb. 125, 132,1) (Kapitel 7.2.1); zu diesem 12-Zoll-Maß als „staufischem
Fuß“ siehe G. Binding 1970, 34ff., auch Witthöft 2001; zu seiner weiten Verbreitung siehe auch Witthöft 1993, 28ff.
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