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Janssen, Walter
Issendorf: ein Urnenfriedhof der späten Kaiserzeit und der Völkerwanderungszeit (Heft 6, Teil 1): Issendorf: ein Urnenfriedhof der späten Kaiserzeit und der Völkerwanderungszeit — Hildesheim: Lax, 1972

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.63213#0088
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6. Kulturbeziehungen der Issendorfer Funde zu den Nachbargebieten

Ähnlich wie Probleme der absoluten Chronologie kann auch die Frage der kulturellen
Verbindungen zu den Nachbargebieten, die sich eventuell im Issendorfer Material nach-
weisen lassen, beim gegenwärtigen Forschungs- und Bearbeitungsstand nur mit äußerster
Vorsicht erörtert werden. Sicher wird man in dieser Hinsicht klarere Vorstellungen gewin-
nen können, wenn die jetzt schon ausgegrabenen weiteren 517 Urnen von Issendorf einmal
bearbeitet sein werden und die noch im Boden befindlichen Bestattungen ausgegraben
vorliegen.
Aber auch unter den hier vorgelegten rund 300 Gräbern zeigen sich verschiedene Kul-
turverbindungen und stilistische Übereinstimmungen mit Nachbarräumen, so daß wenig-
stens einige Andeutungen zu diesem Problem möglich sind.
Bei der oben durchgeführten Differenzierung des Issendorfer Materials143 war bereits
aufgefallen, daß bestimmte der von Plettke entwickelten Formgruppen der Keramik in
Issendorf nicht oder nur sehr schwach vertreten waren. Dies betrifft zunächst die Gruppe
B 1 nach Plettke, also die hohen bauchigen Töpfe mit breitem, ausladendem, scharf abge-
setztem Rand144. Fritz Tischler hat diese Gefäßform für die frühe Kaiserzeit als den Edde-
laker Typ herausgestellt und auf seine Verwandtschaft mit dem Gefäßbestand des Ober-
jersdaler Kreises hingewiesen145. Bekannt ist auch, daß der Topf vom Eddelaker Typ zeit-
lich in die jüngere Kaiserzeit hinüberreicht und daß diese Form unvermittelt, ohne einhei-
mische Vorformen zu besitzen, im Gebiet zwischen Elbe- und Wesermündung auftaucht.
Sie kann dort als Indiz für die Einwanderung neuer Bevölkerungselemente angesehen
werden, die man als Sachsen anzusprechen geneigt ist146. Um so erstaunlicher muß wir-
ken, daß in dem hier vorgelegten Material aus Issendorf die Gefäßform des Eddelaker
Typus so gut wie gar keine Rolle spielt. Da mit den Schnitten des Jahres 1967 der gesamte
Urnenfriedhof mehrfach durchschnitten wurde, kann der Einwand, es sei nur ein bestimm-
tes Quartier des Friedhofes untersucht worden, und zwar gerade jener Teil, in dem der
Typ Plettke B 1 fehle, nicht stichhaltig sein. In jedem Falle wird man eine Bestätigung die-
ser Feststellung durch die übrigen Funde aus Issendorf abwarten müssen, ehe diese Fest-
stellung als allgemeines Kennzeichen des Issendorfer Urnenfriedhofes angesprochen wird.
Auffällig ist dieses abweichende Verhalten des Issendorfer Materials im Vergleich zu den
großen Friedhöfen Westerwanna, Altenwalde und Wehden in der Tat auch so. Bedeutet
diese Feststellung aber, daß jeglicher nordelbische Einfluß im Issendorfer Material fehlt?
Ehe dieser Frage nachgegangen wird, ist noch eine weitere Gruppe Plettkes auf diese
Problematik hin zu untersuchen, die Gruppe B 2 nach Plettke, die der hohen engmündigen
Töpfe. P. Schmid hat darauf hingewiesen, daß es im Einzelfall oft schwer fällt, die in diese
143 Vgl. oben S. 38 ff.
144 Plettke a. a. O. (wie Anm. 29) 43 und Taf. 37.
145 Fr. Tischler, Der Topf vom Eddelaker Typ, ein Beitrag zur Sachsen-Chauken-Frage, in: Schwantes, Urge-
geschichtsstudien beiderseits der Niederelbe (Hildesheim 1939) 307 ff.
146 Vgl. A. Genrich, Formenkreise und Stammesgruppen in Schleswig-Holstein nach geschlossenen Funden des
3. bis 6. Jahrh. OFFA-Bücher NF 10 (Neumünster 1954) 30, 40.

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