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Janssen, Walter
Issendorf: ein Urnenfriedhof der späten Kaiserzeit und der Völkerwanderungszeit (Heft 6, Teil 1): Issendorf: ein Urnenfriedhof der späten Kaiserzeit und der Völkerwanderungszeit — Hildesheim: Lax, 1972

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.63213#0090
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eine Durchsicht des Materials bei Karola Zimmer-Linnfeld ergab, sehr häufig vertreten.
Aber auch darin unterscheidet sich Issendorf von den Urnenfriedhöfen an der Küste: Trich-
terschalen und Standfußgefäße, wie sie westlich der unteren Weser und selbst noch im
Gebiet von Westerwanna vorkommen, gibt es in dem hier vorzulegenden Material nicht.
Eine entscheidende Beeinflussung des Issendorfer Urnenfriedhofes von Westen und Süden
läßt sich mithin nicht nachweisen. Diese Feststellung schließt selbstverständlich enge Zu-
sammenhänge zwischen Issendorf, Westerwanna, Altenwalde und Wehden nicht aus, son-
dern sie betrifft lediglich mögliche weiträumige Verbindungen mit dem westgermanischen
Bereich. Wohl könnte das hohe kumpfförmige Gefäß Grab 188, das mit tiefen Fingernagel-
eindrücken versehen ist, auch aus einem Fundzusammenhang der jüngeren Kaiserzeit im
westgermanischen Bereich stammen154. Aber es bildet nur einen Einzelfall, auf den sich
noch keine weiträumige kulturelle Verbindung zwischen dem Weser-Elbe-Küstengebiet
und dem westlichen Germanien gründen läßt.
Vermögen keramische Formkreise verhältnismäßig enge kulturelle Einheiten, unter
Umständen sogar ethnische Einheiten zu belegen, so muß die Verbreitung von Fibeln nach
anderen Kriterien bewertet werden, weil eine Fibel selbstverständlich Gegenstand des
Handels sein kann und als solcher weite Verbreitung auch über ethnische Grenzen hinweg
gefunden haben dürfte. Insofern verbirgt sich hinter der Verbreitung der Fibeln mit halb-
runder Kopfplatte des 5. Jahrh., wie sie von Genrich kartiert wurde155, kein ethnischer
Sachverhalt. Sowohl Plettke als auch Fritz Tischler und Albert Genrich diskutierten die
formenkundlichen Übereinstimmungen und Beziehungen zwischen der südelbischen und
der schleswig-holsteinischen Keramik der jüngeren Kaiserzeit und der Völkerwanderungs-
zeit wesentlich mit dem Ziel, die Einwanderung sächsischer Bevölkerungsgruppen aus
Schleswig-Holstein in das Gebiet zwischen Niederelbe und unterer Weser nachzuweisen.
Demgegenüber stehen die Fibeln nur stellvertretend für einen allgemeinen kulturge-
schichtlichen Zusammenhang, der mit Stammesgruppierungen und deren Verschiebungen
nichts zu tun zu haben braucht. Immerhin fällt auf, daß nach der Kartierung Genrichs die
Fibeln mit halbrunder Kopfplatte, die in Issendorf vertreten sind156, ihr Hauptverbreitungs-
gebiet östlich der Elbe im nordöstlichen Niedersachsen sowie in Mecklenburg besitzen. Die
Anzahl der Funde liegt hier weit höher, als im Gebiet zwischen Niederelbe und unterer
Weser. Weiterhin fällt auf, daß die Fibel mit halbrunder Kopfplatte nur östlich der Oste-
niederung und des südlich daran anschließenden Teufelsmoores verbreitet ist. Sie kenn-
zeichnet demnach weniger die Westgruppe, als vielmehr die elbenahe Ostgruppe der säch-
sischen Urnenfriedhöfe zwischen Niederweser und unterer Elbe. Der Harburger Raum, in
dem die Fibel ebenfalls vorkommt, bildet dann sozusagen das Bindeglied des Weser-Elbe-
Raumes zum nordöstlichen Niedersachsen und zu Mecklenburg jenseits der Elbe. Es scheint,
als deute sich in der Verbreitung dieser Fibel ein kultureller Zusammenhang zwischen ost-
elbischem und westelbischem Raum an, ohne daß sich diese Erscheinung bisher näher prä-
zisieren ließe. Sie ist auch im Bereich der Grabkeramik nicht einwandfrei nachzuweisen, so
daß die Art dieser Zusammenhänge vorerst noch dunkel bleibt.
Wie immer die Verbindungen im norddeutschen Raum verlaufen mögen - als eine
Grundvoraussetzung für den Formen- und Typenvorrat auf den Urnenfriedhöfen der säch-
sischen Periode zwischen Niederelbe und unterer Weser ist der römische Import zu wer-
ten. Wir haben gesehen, daß der römische Import sich vor allem im Bereich der Gläser be-

154 Vergleichsfunde bei R. v. Uslar a. a. O. (Anm. 151). - Vgl. ferner: W. Janssen, Die germanische Siedlung
von Essen-Hinsel, in: Beiträge z. Gesch. v. Stadt u. Stift Essen 83, 1968. - Neues Material von verschiede-
nen westfälischen Fundplätzen in: Spätkaiserzeitliche Funde in Westfalen, hrsg. v. H. Beck, Bodenalter-
tümer Westfalens XII (Münster 1970).
155 A. Genrich a. a. O. (wie Anm. 146) Karte 10.
156 Grab 281; ein weiterer Fund bei Mushard ed. Sprockhoff (wie Anm. 35) Taf. 13.

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