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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 2.1959

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Nr. 3
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Kraft, Artur: Stufenabitur zur Entscheidung
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https://doi.org/10.11588/diglit.32957#0041
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Schon jetzt sind die Elternbeiräte der höheren Schulen vor eine nicht leichte Ent-
scheidung gestellt. Im Einvernehmen mit dem „vorläufigen Landeselternbeirat“ hat der
hessische Kultusminister angeordnet, daß Ostern 1959 in den altsprachlichen Gymnasien
die Reifeprüfung in der früheren Form, an allen anderen höheren Schulen aber als
„Stufenabitur“ durchgeführt wird. Jeder Elternbeirat kann aber für seine Schule die
umgekehrte Regelung erwirken, fiir das altsprachliche Gymnasium also das Stufenabitur,
fiit die anderen Gymnasien das Abitur der alten Form.

Was bedeutet die neue Prüfungsordnung?

Nach einem Beschluß der Kultusministerkonferenz vom 20. Januar 1956 ist es zu-
lässig, einen Teil der Reifeprüfung schon auf das Ende des vorletzten Schuljahres zu
legen, das Abitur also in zwei „Stufen“ abzuhalten. Von dieser Möglichkeit haben bisher
Berlin, Niedersachsen und Schleswig-Fdolstein Gebrauch gemacht. Auch dieses Stufen-
abitur „gewährt in allen Ländern der Bundesrepublik und in Berlin die Zulassung zum
Hochschulstuclium undzu entsprechenden Ausbildungslehrgängen“. (§ 19 des Abkommens
der Kultusminister.) Für Hessen ist vorgesehen, im alt- und neusprachlichen Gymnasium
Mathematik, im mathematisch-naturwissenschafflichen Gymnasium aber Englisch als
Pflichtfach am Ende des Unterprimajahres mit einer schriftlichen Prüfungsarbeit ab-
zuschließen.

Warurn diese Neuerung?

In den letzten vier Jahrzehnten ist die Zahl der Pflichtfächer in der Oberprima
des altsprachlichen Gymnasiums von neun auf 14 gestiegen. Dies bedeutet für die letzten
Monate vor der Reifeprüfung die ernste Gefahr, daß diese kurze und so bedeutsame Zeit
nicht der Vertiefung und Besinnung dient, sondern einer zwar vielseitigen, aber sehr
vordergründigen Anhäufung von Kenntnissen. Diese Bedenken haben immer wieder
Pädagogen, Schulpolitiker, Arzte, vor allem aber schulisch interessierte Eltern auf Kon-
gressen, in Fach- und Tagespresse mit großem Nachdruck und doch wohl auch über-
zeugend vorgebracht.

Die neuen hessischen Bildungspläne sehen für die Oberprima wöchentlich 29 Unter-
richtsstunden vor, die für jeden Schüler verbindlich sind; bisher waren es 34. Hierdurch
ist es möglich geworden, daß sich der Schüler in wahlfreiem Unterricht und in „Arbeits-
gemeinschaften“ nach seiner eigenen Entscheidung mit denjenigen Stoffen vertieft be-
schäftigt, die seiner Eigenart entsprechen, die für ihn wirklich bildend sind. So wird
der Oberprimaner des alt- und neusprachlichen Gymnasiums, für den Mathematik kein
Pflichtfach mehr ist, trotzdem die Möglichkeit haben, auch im letzten Schuljahr wöchent-
lich zwei Stunden Mathematik aus Neigung oder im Hinblick auf den künftigen
Beruf in einem kleineren Kreise von Mitschülern zu betreiben. Gewiß eine für Schüler
und Lehrer befriedigendere und eine wertvollere Arbeit, als wenn auch diejenigen
Schüler, denen nun einmal die Mathematik nichts gibt, noch in den letzten Monaten ihrer
Gymnasialzeit für ihre mathematische Prüfungsarbeit „büffeln“ müssen.

Ebenso kann ein Oberprimaner des mathematisch-naturwissenschaftlichen Gym-
nasiums der das in acht Jahren erlernte Englisch noch in einem neunten Jahre abrunden
will, am wahlfreien englischen Unterricht teilnehmen. Auch kann bei wöchentlich nur
29 Stunden verbindlichen Unterrichts der wahlfreie Unterricht am Vormittag erteilt
werden, eine für sogenannte „Fahrschüler“ sehr wichtige Tatsache.

Wer sind die Gegner?

Von seiten der neusprachlichen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Gymnasien
(65 692 Schüler am 15. Mai 1957) sind grundsätzliche Widerstände gegen das Stufen-

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