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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 2.1959

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Nr. 3
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Kraft, Artur: Stufenabitur zur Entscheidung
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https://doi.org/10.11588/diglit.32957#0042
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abitur in der öffentlichkeit nicht bekannt geworden. Deshalb soll auch an diesen Schulen
lm Schuljahr 1958/59 das Stufenabitur durchgeführt werden.

Gegen das Stufenabitur führt jedoch ein kleiner, aber sehr aktiver Kreis von Freun-
den des altsprachlichen Gymnasiums (6985 Schüler am 15. Mai 1957 = 9,6 Prozent aller
Schüler) den schärfsten Kampf. Er hat auch erreicht, daß am altsprachlichen Gym-
nasium im Schuljahr 1958/59 das Stufenabitur nur dann durchgeführt wird, wenn es
der Elternbeirat ausdrücklich beantragt.

Und was sagen sie?

Anfänglich glaubten wohl manche Eltern, daß durch das Stufenabitur den Abiturien-
ten des altsprachlichen Gymnasiums an den technischen Hochschulen formale oder
sachliche Schwierigkeiten entstehen könnten. Diese Sorge dürfte sich nicht nur durch
den klaren Wortlaut des inzwischen von den Kultusministern getroffenen Abkommens,
sondern vor allem auch durch die Erfahrungen in Berlin, Niedersachsen und Schleswig-
Holstein als unbegründet erwiesen haben. Die Abiturienten der altsprachlichen Gym-
nasien dieser Länder können sich wie bisher jedem Studium widmen, obgleich selbst-
verständiich heute wie früher ihre mathematische Vorbildung geringer ist, als wenn sie
eine höhere Schule der mathematisch-naturwissenschaftlichen Richtung besucht hätten.

Zuweilen hört man die Befürchtung, ein Schüler, der die Mathematik mit einer
„fünf“ in der Unterprima abgeschlossen habe und nun an diesem Mißerfolg nichts mehr
ändern könne, bleibe in der Oberprima ständig seelisch bedrückt. Genau das Gegenteil
ist der Fall - wie inzwischen die Erfahrung gezeigt hat: Befreit von der Last eines
Faches, in dem er trotz großen Zeit- und Arbeitsaufwandes keinen befriedigenden Erfolg
erzielte - und auch in der Oberprima kaum erzielen würde —, kann sich der Schüler
ganz den Fächern widmen, in denen er das Prädikat „gut“ erhielt, denen er also die
Versetzung in die Oberprima verdankt.

Die Lehrerschaft ist in ihrem Urteil über das Stufenabitur selbstverständlich ver-
schiedener Meinung. Zunächst ist es für einen Teil der Mathematiker und Anglisten
ein unerfreulicher, vielleicht aber noch nur ein ungewohnter Gedanke, daß sie sich mit
ihrer Wissenschaft nicht mehr an alle Oberprimaner wenden können.

Dann hört man, das Stufenabitur führe zu einer verfrühten Spezialisierung;
dieser Einwand ist aber im Hinblick auf die in der Oberprima immer noch ver-
bleibende große Zahl von Pflichtfächern offensichtlich unhaltbar. Es wird auch gesagt,
das Stufenabitur bedeute eine Verweichlichung, es erschwere eine straffe Auslese. Wenn
dem so wäre, sollten sich dann gerade die Eltern gegen das Stufenabitur wenden? Und
ist nicht in acht Schuljahren Zeit genug zur Auslese gegeben?

Vertiefung statt Verbreiterung

Das Stufenabitur soll weder eine Erleichterung noch eine Erschwerung für die
Schüler mit sich bringen, es soll vielmehr — und das ist doch wohl zu begriißen - ebenso
wie die Aufteilung des ehemaligen Realgymnasiums in ein sprachliches und ein mathe-
matisch-naturwissenschaftliches Gymnasium herausführen aus der im Laufe der Zeit
unerträglich gewordenen Vielheit nahezu gleichberechtigter Fächer. Es soll den charak-
teristischen Fächern einer jeden Schulform, hier den alten Sprachen, dort den neuen
Sprachen, dort der Mathematik und den Naturwissenschaften das ihnen zukommende
Gewicht geben, es soll aus der Breite und damit aus der Gefahr der Flachheit zur
Vertiefung führen.

Krafl, Bad Hersfeld

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