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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 7.1964

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Nr. 2
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Eberle, Josef: Sozialismus und Latein: Erinnerung an Jean Jaurès
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Bornemann, Eduard: Grammatik-Ausschuß des DAV
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https://doi.org/10.11588/diglit.33066#0020
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Gründete 1904 mit Briand die „Humanite" (bis 1921 Parteiorgan), unterstiitzte als Frie-
densfreund die Politik Caillaux’ in der Marokkofrage u. in der Annäherung an Deutsch-
land. Polit. Führergestalt von unumstrittener sittlicher Autorität.“

Die unscheinbare Broschüre regt zu vielerlei Reflexionen an, zu allererst wohl dar-
über, daß Politiker, daß Sozialisten, ja Parteiführer noch zur Zeit unserer Väter ihre
sozialpolitischen Thesen lateinisch niedergelegt haben; daß ihr Sozialismus, weit über
die Beherrschung des Lateins hinaus, noch selbstverständlich und fest in den humanisti-
schen Tradition wurzelte; daß sie ihn als große geistige Bewegung, wie etwa die Refor-
mation, zur Emanzipation des Menschen schlechthin auffaßten und nicht zu der einer
Klasse, daß sie frei waren von mehr oder weniger schriftgelehrtem Dogmatismus und
von der Entartung in bloßes Funktionärstum. Hören wir Jaures selbst! Er schreibt am
Ende seiner Untersuchung: „Wer also den heutigen deutschen Sozialismus verstehen will,
darf sich nicht damit begnügen, ihn nur in der spezifischen und ephemeren Form aufzu-
fassen, die ihm Bebel und die anderen geben; er muß vielmehr sozusagen alle Quellen
des Intellekts und des Gewissens, denen er entsprungen ist, untersuchen. Aus diesem
Grund habe ich sowohl den christlichen Sozialismus anhand Luthers wie den ethischen
Sozialismus anhand Fichtes und den dialektischen Sozialismus anhand von Hegel und
Marx dargelegt.“

Als Probe sozialistischen Lateins seien die Schlußsätze der Dissertation hergesetzt:
„Nec mihi displicet ad res hodiernas latinum usurpase sermonem, quando in hoc sermone
et ius humanum antiquae philosophiae moralis, expressum sit, et christiana fraternitas
suspiraverit ac cecinerit, et ille latinus sermo hodie adhuc solus sit omnium populorum
universus et communis sermo et sic universali socialismo conveniat. Ita latinus sermo
isti integrali socialismo, quem Benoit Malon descripsit, conformis est, in eo socialismum
non quasi exiguam factionem sed quasi ipsam humanitatem, videmus; et sub specie
humanitatis et aeternitatis socialismus adspicitur.“

Mögen die Gebildeten unter den sozialistischen Verächtern des Lateins dieses selbst
auch weiterhin vergessen haben; was ihnen hier ihr „sodalis“ Jaures in der Mutter-
sprache Europas ans Herz legt, sollten sie dennoch in den Kanon ihrer heiligen Schriften
aufnehmen.

Grammatik-Ausscliuß des DAV

Bei der Tagung in Augsburg beschloß der erweiterte Vorstand des DAV, die
gelegentlichen Wochenendberatungen des Grammatikausschusses auf eine brei-
tere Grundlage zu stellen, indem das Thema vofher im „Mitteilungsblatt“ be-
kanntgegeben werde mit der Aufforderung an alle DAV-Mitglieder, sich gege-
benenfalls dazu zu äußern.

Ich schlage als Thema für die nächste Sitzung vor „Was können wir Alt-
philologen aus der grammatischen Theorie von Hans Glinz (besonders über
Wortarten und Satzglieder) lernen?“ und bitte, Beiträge bis Ende August an
mich zu senden (637 Oberursel, Altkönigstr. 2).

Eduard Bornemann

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