Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 13.1868

DOI Artikel:
Bock, Franz: Der Schatz des Westgothenkönigs Athanarich, gefunden im jahr 1837 zu Petreosa in der grossen Walachei
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.25926#0142
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
124

Dr. Fr. Bock. Der. Schatz des Westgothenkönigs Athanarich.

Wenn es gestattet ist, auch in dieser noch so wenig aufgeklärten Kunstepoche aus
den Formen und der Verzierung dieser Geräthe einen Schluss auf ihre Entstehungszeit zu
ziehen, so berufen wir uns hierbei auf eine vortreffliche Abhandlung des verstorbenen Herrn
Dr. von Arneth, Directors des k. k. Kunst-und Antiken -Cabinets zu Wien. In diesem lehr-
reichen Aufsätze hat derselbe nämlich als anerkannter Fachgelehrter, gestützt auf historische,
formelle und technische Gründe, den Beweis zu liefern gesucht, dass jenes kostbare goldene
Geschmeide, welches vor Jahren auf der Puste Bakode bei Kalocza in Ungarn gefunden wurde,
aus den Tagen der Völkerwanderung und speciell aus der Regierungszeit des Kaisers Valens
herrühre. Da nun aber unsere Goldgeräthe in technischer und ornamentaler Hinsicht durchaus
mit jenen ungarischen Kleinodien, die sich heute im Nationalmuseum zu Pest vorfinden, überein-
stimmen, so machen wir jene von Dr. von Arneth vorgebrachten Beweismomente auch für
unsere Werthstücke geltend, mögen die ersteren auch nicht von den Westgothen, sondern von
den stammverwandten Gepiden herrühren. Ferner aber zeigen unsere Goldgeräthe in ihrer
Technik eine auffallende Ähnlichkeit mit jenen kostbaren Kronen der späteren westgothischen
Könige Recesvinth und Suinthila, die vor mehr als zehn Jahren in Guarrazar bei Toledo aufge-
funden wurden15 und welche sammt vier Votivkronen derselben Epoche das Hotel Cluny käuflich
erworben hat. Namentlich sind es die farbigen Schalen von Edelsteinen, welche diese Ähnlichkeit sehr
augenfällig machte und die für die Zeit der Völkerwanderung und noch einige Jahrhunderte später
kennzeichnend sind. Während nämlich die civilisirten Völker schon lange vor Christus die Kunst
verstanden, durch Feuersgewalt farbige Glasflüsse auf Metalle zu fixiren, ersetzten die technisch
wenig geübten Stämme des Nordens dieses Email gewöhnlich durch eingekapselte dünne Stück-
chen von Edelsteinen, die als durchsichtige Schälchen von Smaragden, Rubinen oder Amethisten
sich zu erkennen geben. Dieselbe vielfarbige Verzierungsweise findet sich auch an einem kost-
baren goldenen Einband zur Aufbewahrung der Evangelien, welchen Theodolinda, die Königin
der Longobarden, der von ihr erbauten Kirche des heil. Johannes des Täufers zu Monza schenkte.
Da nun die Herkunft dieser Evangeliendecke, sowie der obengedachten westgothischen Königs-
kronen durch primitive Inschriften, befindlich auf den betreffenden Kunstwerken, festgestellt und
verbürgt ist, so betrachten wir das Vorkommen derselben Verzierungsweise an unseren Goldge-
räthen für ein untrügliches Kennzeichen ihrer Entstehung in den Zeiten der Völkerwanderung.
Hiermit glauben wir einstweilen die Gründe ziemlich klar gestellt zu haben, welche uns
zur Aufstellung der jedenfalls nicht gewagten Hypothese veranlassen, dass die kostbaren Klein-
odien und Utensilien von Petreosa dem Könige Athanarich zuzuschreiben seien. Zwar sind wir
uns bewusst, dass es uns im Vorstehenden nicht gelungen ist, diese unsere Ansicht bis zur augen-
fälligen Evidenz nachzuweisen; gleichwohl dürften die vorgebrachten Gründe doch immer einen
ziemlichen Grad von Wahrscheinlichkeit für sich zu beanspruchen berechtigt sein. Übrigens aber
würde es uns freuen,wenn es spätem Forschern gelänge, stichhältigere Hypothesen mit triftigeren
Gründen aufzustellen und mit grösserem Erfolg zu vertlieidigen.
15 Vgl. unser Werk „die Kleinodien des keil, römischen Reiches deutscher Nation“ nebst den Kroninsignien Böhmens,
Ungarns und der Lombardei, Seite 171 — 179 Tat. 36 und 37.
 
Annotationen