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Meier-Graefe, Julius [Hrsg.]; Corot, Jean-Baptiste-Camille [Ill.]
Corot — Berlin, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.27162#0011
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daß man so ein Buch alle zehn Jahre wiederholte. Deshalb brauchte das eine dem anderen
nicht zu widersprechen und könnte trotzdem immer neu sein. Dies der Reiz. Erberuht
auf dem von Ihnen gerügten Mangel. Gerade das nicht zu dichtende, das vor Ihnen steht
und dem Sie mit immer stärkerer Anspannung Ihres Sehens langsam näher kommen, ge-
währt ihn. Dichten Sie einmal einen Delacroix, einenMarees! Erfinden Sie einen Cezanne!
Es gibt Künstlerromane. Reden wir nicht davon! Nur wenn die Künstler in den Ge-
schichten scheiterten, gelangen sie halbwegs. Die besten Versuche sind Maulwurfshügel
neben Gebirgen. In der Regel beweisen sie das Unglück des Berufs, stellen den Künstler
in Gegensatz zu den immer feindlichen Mächten, lassen ihn aus tausend Wunden bluten,
weil er die Dummheit begeht, aus anderem EIolz als die anderen zu sein und dunklen
Zielen nachzueilen. Sie sind negativ wie neun Zehntel der Literatur unserer Zeit, soweit
sie sich respektiert. Unsere Geschichten haben den vom Publikum gewünschten Vorzug,
gut auszugehen, und enden doch nicht in himmelblauer Rührung. Wir weisen das uner-
hörte Glück des Berufs nach und wie wenig den Künstler die bekannten Mißlichkeiten
treffen, da er noch leichter als jeder vernünftige Mensch die Crux zur Lux zu wandeln
vermag. Es gibt unter den Künstlern, deren Betrachtung sich lohnt, keine Unglück-
lichen. Es gibt keine Entwurzelten, keine Enterbten. Wenn irgendwo kann man hier
auch heute noch unbedingte und allgemein gültige Bejahungen finden.

Nun drehen Sie den Spieß um und werfen mir Verunglimpfung der Dichter vor. O Sie
Fräulein! Kein umsichtiger Romancier wird die Größe eines Künstlers, die aus seinen
Werken hervorgeht, darstellen wollen, und wenn Sie wünschen, bestätige ich gern, daß
das köstlichste Kunstbuch, und sei es mit dem Genie Goethes verfaßt, weniger ist als ein
Maulwurfshügel neben einem Gedicht, daß keins der Dramen, die wir zwischen Bildern
hervorholen, das gedichtete Drama zu ersetzen vermöchte. Kunstbücher sind unter allen
Umständen Stückwerk, zusammengeklaubt ausWerken anderer und an die Werke anderer
gebunden, und Dichtung ist ganz oder nichts. Aber unser Kleinbetrieb hat Entschuldi-
gungen. Dichter und Künstler werden immer seltner. Das Theater wandelt sich in den
Tonfilm, und'die Malerei in Dekoration oder sonstwas. Surrogate wo man hinsieht. Auch
die Kutsche mag für manchen so etwas sein, Ersatz für den Pegasus, aber sie verschandelt
nicht die Dichtung und dient der Kunst, kann ihr dienen, ist bei der drohenden Trocken-
legung eine LIilfe der Ökonomie, ein notwendiges Übel. Sie gehört zur Geschichte, und
da gewinnt sie. Würden Sie auch einen Llistoriker des Dreißigjährigen Kriegs oder späterer
Perioden aufs Dichten verweisen? —Natürlich halten Sie unser Gebiet für mikroskopisch,
weil wir uns nicht mit den Räubereien der Potentaten abgeben. Können Sie uns vor-
werfen, die lichteren Stellen unseres Jammertals zum Gegenstand unserer Studien zu
 
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