Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Meier-Graefe, Julius [Editor]; Corot, Jean-Baptiste-Camille [Ill.]
Corot — Berlin, 1930

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.27162#0056
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
48

HSte&etmeter

Im Oktober 1834kehrt er reichbeladen zurück. In derRue duBac hat sich nichts geändert,
und der Salon ist auch noch da. Wenn man doch immer draußen schweifen könnte! —
Ohne die Cholera wäre er im nächsten Jahre wieder nach Italien gegangen. Statt dessen
wiederholt sich der Kampf zwischen Künstler und Bürger, und der Salon siegt. Die beiden
Tribute von 1834 haben nichts von unserem Corot. Dem einen Bild, der Landschaft bei
Riva (R 357), diente als Unterlage eine kleine, auf der Heimreise gemalte Skizze, die
eine allen Hochzeitspaaren früherer Zeiten teure Gegend wiedergibt (R 358). Die Ver-
größerung zum Gemälde vergrößert die fatale Romantik und unterdrückt den harmo-
nischen Ton des Entwurfs. Unverständlich, bis zu welchem Grade der Geschmack des
für alle Reize empfänglichen Naturkenners versagen konnte. Nur die Ansichtspostkarte
bleibt übrig. Das andere Bild, die „Hagar in der Wüste“ (R 362), ist dem heroischen
Biedermeiertum Bertins tributpflichtig. Wo hat er die Wüste hergenommen ? Die Trocken-
heit der Riesenleinwand wird zum unfreiwilligen Symbol. Die Baumgruppe in der Mitte
ist eine Oase. Darüber schwebt, man traut seinen Augen kaum, ein Engel von der Komik
der nach Giotto gezeichneten Figuren. Vorn vor der Felsenkulisse ringt die unglückselige
Hagar die Hände, viel zu klein geraten und ohne Atmosphäre. Ich weiß nicht, ob die
Zeichnung nach einer Modistin der Mme. Corot, die er „Mon Hagar“ nannte, ein adrett
gekleidetes Mädchen in großem Hut, etwas mit dem Bilde zu tun hat. Moreau-Nelaton
datiert sie um 1830. Es steckt eine ganz andere Größe in der anspruchslosen Zeichnung.
Im Sommer 1836 hat er in und bei Avignon die schöne Serie gemalt, von denen ein Bei-
spiel in der Londoner National Gallery (XX II) und zwei der schönsten in der Samm-
lung Moreau hängen. Die Reihe von Bäumen am Fluß scheint mit dem Flaum einer Feder
geschaffen. Das andere Bild in der Sammlung Moreau, die drei hohen Zypressen vor den
hellen Häusern (R 331), ist das Gedicht von den drei Zypressen.

Wieder der Salon. Wenn man von der Avignon-Serie zu dem „Bad der Diana“ oder zu
dem „Hieronymus“ kommt, geht man von einem Trio Mozarts zu einem Leierkasten.
Auch dieser Leierkasten hat von Corot und entwickelt sich. Der betende Hieronymus
(R 366) kniet besser als die ITagar in der Landschaft. Von dem Löwen könnte man fast
glauben, die Drolligkeit sei dem Urheber nicht entgangen. Der Archaismus entbehrt nicht
einer wohldurchdachten Struktur und gönnt auf einem Umweg den Tönen Corots einen
Anteil. Man unterdrückt schwer die Frage: Wozu das alles? Was geht uns der Löwe
und der Hieronymus an? Warum hielt er sich in Avignon nicht mit der Papstgeschichte
auf und benutzte den alten Riesenkasten mit den Zinnen nur gerade als Hintergrund?
Warum dort lebendiger als irgendeiner seiner Zeit, um in Paris, wo das Leben überlief,
einem altmodischen Wandschirm Tone beizubringen suchen? Er schreibt auf den Zettel
 
Annotationen