Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
84

Zweites Capitel. Der Uebergangsstil. I. Das Ospedale Maggiore.

für den Thorthurm des Castells eine friesartige Terracottaverkleidung gearbeitet, und ge-
dachte mit einer ähnlichen, aus Säulchen, Guirlandcn und Sticrschädeln bestehenden
Decoration das am Thurm selbst angebrachte herzogliche Wappen zu umgeben, während
der „Rcdondonc“ selbst mit Marmor incrustirt, und die Zinnenkrönung ebenfalls aus Marmor
hergestellt werden sollten. Einerseits also sucht er die in Toscana heimische monumentale,
wohl mehrfarbig gedachte Marmorverkleidung anzuwenden, andererseits in die lombardische
Terracotta-Decoration streng antike Formen, Guirlanden zwischen Sticrschädeln, sein Lieb-
lingsmotiv im Formenschatz der S. Petersthiiren,1) in Mailand einzubürgern. Aber er drang
hiermit nicht durch. Schon bezüglich der Tcrracotten intriguirte Jacopo da Cortona, indem
er behauptete, sie verzögerten das Werk und würden nicht haltbar sein, die Marmorzinnen
ferner wurden durch solche aus Sarizzo ersetzt.2) Mit Recht klagte der Florentiner dem
Herzog in einem Schreiben vom 25. Juni 1453: „Jo ci sono malveduto.“3) So wurde
Filaretes erste Thätigkeit in Mailand wohl vorzugsweise durch persönliche Eifersucht der
Meister, welche neben ihm dort beschäftigt waren, beeinträchtigt: erhalten ist hier jedoch
weder seine eigene Arbeit, noch die seiner glücklicheren Nebenbuhler.
Ueber diesen Mifserfolg konnte ihn die fortgesetzte Gunst des Herzogs trösten.
Dessen mehrfacher Empfehlung dankte er zunächst schon im August 1452 die Aufnahme
unter die „ingenierii“ des Domes, durch welche er als Nachfolger Filippos degli Organi,
neben Giovanni da Solari trat.4) Aber seine specielle Thätigkeit am Dom ist lediglich durch
eine Zahlung für ein Modell des „tiborius“ verbürgt und fand bereits 1454 ihr Ende: ,,eo
quod de eo fabrica non eget“.5 6) Bald darauf verwandte ihn der Herzog für eine ganz per-
sönliche Aufgabe: er sandte ihn nach Cremona, um dort die Errichtung eines mit den
Statuen Francescos und seiner Gattin zu schmückenden Triumphbogens zu leiten. Das
war für den wenigstens theoretisch für jede Aufgabe antiker Art so begeisterten Meister
ein sicherlich höchst willkommener Auftrag, und doppelt ist es zu beklagen, dafs wir auch
von diesem Werk keine weitere Kunde besitzen. Ebensowenig können wir seine Thätig-
keit bei einer anderen auswärtigen Arbeit näher prüfen: in Venedig, wo er sich 1458
aufhielt, um dort für den Umbau des im Besitz des Herzogs befindlichen ehemaligen Gatta-
melata-Palastes bei S. Polo Studien und Vorschläge zu machen.0) Sein im Tractat
abgebildetes Project7) gelangte nicht zur Ausführung, da Francesco Sforza 1461 statt jenes
Palastes die Casa Corner bei S. Samuele erwarb. Aber dieser venezianische Aufenthalt
ist für das Verständnifs von Filaretes Mailänder Stil nicht unwichtig: in Venedig mufste
er für die seiner in Mailand harrende Aufgabe mannigfache Anregungen erhalten, und
er hat dieselben an seinem Hospital, wie wir sehen werden, in der That verwerthet.
Auch die im „Tractat“ gegebene Skizze weist mit seinem Mailänder Werk etliche
Berührungspunkte auf.
Unsere Kcnntnifs von Filaretes Mailänder Stilweise bleibt zuletzt überhaupt nur auf
das Ospedale Maggiore beschränkt, und auch dort ist sie leider gerade für die hier
mafsgebenden Gesichtspunkte nicht völlig sicher basirt. — Die äufsere Geschichte des Baues
ist allerdings, besonders dank der Arbeiten Canettas, im wesentlichen klargestellt. Trotz
der sichtlichen Beschleunigung seitens des Herzogs und der Förderung durch den Papst
Pius II. schritt die Arbeit seit der feierlichen Grundsteinlegung (12. April 1457), da die

1) Beltrami weist hier auf das antike Vorbild dieses Motives am Vestatempel in Tivoli hin
(a. a. O. S. 109).
2) Vergl. d. Abb. der Reste bei Beltrami, a. a. O. S. 617. Von der Decoration des Ravelin
(„ battiponte “) läfst sich Bestimmtes nicht mehr feststellen.
3) Beltrami, a. a. O. S. 142.
4) Vergl. Annali II. S. 146 aber auch Beltrami, a. a. O. S. 145 Anm. 2.
5) Annali II. S. 153. 5. Juli 1454.
6) Ueber die complicirte Geschichte dieses Palastes des Sforza in Venedig vergl. Paoletti,
1. a. a. O. S. 34 ff. Den Brief Filaretes veröffentlichte zuerst Michele Caffi in der Ztsch. „Bibliofilo“ 1890.
Nr. 6. S. 88 f. Er ist vom 10. April 1458 aus Venedig datirt. Caffi bezog ihn irrthümlich auf den erst
1461 erworbenen Pal. Corner bei S. Samuele. In Sachen dieses Baues war ein zweiter Florentiner, Bene-
detto Ferrini, vom 15. Januar bis zum 14. Juli 1461 in Venedig. Vergl. Paoletti S. 35.
7) Vergl. u. a. bei Paoletti, a. a. O. S. 36 Fi.g 50.
 
Annotationen